Was ist eigentlich ein Redesign?
Was ist eigentlich ein Redesign? Diese Frage stellten sich Anja Balssat, Inhaberin der Agentur TechTick.Media in Köln, und Nima Sorouri, ebenfalls Mitgründer der Agentur. Beide habe sich mit dem Thema Redesign auseinander gesetzt und den Begriff und das Redesign selbst von verschiedenen Seiten beleuchtet und designkritisch betrachtet. Ihre Gedanken dazu veröffentlichen wir hier als Gastbeiträge in einer kleinen Reihe:
Teil 1: Was ist eigentlich ein Redesign?
Aufräumen, Platz schaffen. Das kann regelrecht befreiend sein und es fördert immer wieder kleine Schätze und längst Vergessenes zu Tage. So auch bei unserer letzen Aufräum- und Sortieraktion in unserem Büro. Eine Facharbeit aus Hochschultagen haben wir dabei entdeckt.
Titel der Arbeit: Was ist eigentlich ein Redesign? Da Thema und Inhalt heute ebenso spannend sind wie damals, haben wir beschlossen die Arbeit etwas zu kürzen, stellenweise aktuellere Beispiele zu suchen und hier niederzuschreiben. Es wird der Versuch unternommen, von verschiedenen Standpunkten aus den Begriff Redesign zu betrachten und zu greifen.
Redesign, mit diesem Begriff wird Verschiedenstes assoziiert. Er wird qualifiziert wie unqualifiziert verwendet, im Volksmund ebenso wie in der Medienlandschaft. Um den Begriff und die Sache Redesign greifen zu können, hilft vielleicht ein Blick in die Fachliteratur. Doch weit gefehlt. Schnell zeigt sich, es gibt da nicht wirklich viel in den Designbibliotheken. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass das Design als wissenschaftliche Disziplin noch jung ist und die Fachliteratur dieses Bereichs noch etwas braucht, bis sie ausgereifter beziehungsweise vielschichtiger sein wird. Aber es gibt eine lexikalische Bedeutung von „Redesign“. In Wörterbüchern wird hier oft von neu gestalten, umgestalten oder neu entwerfen gesprochen. Als Synonym ist auch der Begriff Relaunch gängig. Laut eines Wirtschaftslexikons ist „das Redesign eine Strategie zur Verlängerung des Lebenszyklus eines Produkts oder einer Marke durch zielgruppenspezifische Anpassung von Produktgestaltung.“ Klar, in einer freien Marktwirtschaft muss es auch einen wirtschaftlichen Hintergrund geben, wenn ein Produkt oder eine Kampagne ein neues Gesicht bekommt. Doch wie tief gehend muss eine Veränderung sein, um von einem Redesign sprechen zu können? Darüber verraten uns die Nachschlagewerke nichts.
Der Schein der Veränderung
Aber wer braucht schon ein Nachschlagewerk, um beurteilen zu können, dass ein kurzzeitig vom Markt genommenes wenig erfolgreiches Produkt, also ein Flop, am Markt wiedereingeführt und in veränderter Form, bloßer Augenwischerei entspricht? In der kapitalistischen Warenwelt ist es keine Seltenheit, dass Produkte oder auch Dienstleistungen nach einem Redesign mehr versprechen als sie halten, zumindest wenn nur äußerlich hier und dort ein wenig verändert, ein wenig aufgehübscht und übermalt worden ist. Stimmt der Umsatz nicht, wird nicht selten der Schein der Veränderung erschaffen. Ein altes Produkt wird in ein neues Gewand gesteckt.
Das stellte bereits in den 70er Jahren Wolfgang Fritz Haug in seiner fundamentalen „Kritik der Warenästhetik“ fest. Haug ist ein großer Kritiker der Konsum- und Warenwelt. Er spricht von Manipulationen. Wenn ein Produkt eine neue, größere und knalligere Verpackung bekommt, sei es kein neues Produkt. Der Käufer werde bloß hinters Licht geführt. Wer kann sich heute noch daran erinnern, welchen Namen früher einmal NicNac, der Partysnack trug? Die Erdnüssen im Teigmantel von der Firma Lorenz gibt es schon ziemlich lange und sie schmecken auch schon ziemlich lange ziemlich gut. Aber erst seit der Umbenennung, seit der bunten neuen Verpackung und seit der Werbestrategie Erdnuss essender Partypeople, ist der Preis in die Höhe gegangen. In der Lebensmittelbranche ist so was keine Seltenheit. Der Verbraucher wird geblendet, manipuliert, wie Haug sagt. Eine neue Verpackung, sie ist vielleicht bunter oder größer mit weniger Inhalt oder gar versehen mit einem doppelten Boden. Das täuscht Veränderung vor.
Redesign-Ziel: verständlich kommunizieren
All das ist gängige Praxis und der Begriff des Redesigns wird schändlich verwendet. Aber einmal von stetigen Täuschungen seitens der Industrie abgesehen. Wann kann ein Redesign nötig sein, wann kann es Sinn ergeben und verdient tatsächlich den Namen Redesign? Es gibt für Unternehmen diverse Beweggründe Image und Philosophie zu überdenken und sich verändert darzustellen. Einer der möglichen Beweggründe ist der Anspruch, das eigene Produkt für den Endverbraucher klar und verständlich zu kommunizieren, um so die Einnahmen zu steigern. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, kann ein Redesign nicht nur hilfreich, sondern gar zwingend nötig sein. Das momentan recht erfolgreiche Unternehmen Apple passt sehr gut in diesen Zusammenhang. Eben wie die Firma Braun verfolgt Apple den Anspruch klarer und verständlicher Produktsprache und bereits seit einer ganzen Weile sind beide Firmen damit erfolgreich. In ihrer Produktpalette unterscheiden sich Braun und Apple schon ein Stück weit voneinander. Braun ist bekannt für seine Elektronikprodukte, etwa im Hifi-Bereich. Die Oral B stammt aus dem Hause Braun, ebenso diverse Küchengeräte. Apple hingegen ist bekannt für seine Computer, den iPod oder das iPhone.
Beide Firmen können also auf eine Reihe von Produktinnovationen zurückblicken. Besonders unter der Leitung des Architekten Dieter Rams gelingt es Braun ab Mitte der 50er Jahre immer wieder neue Formen für die eigenen Produkte zu erfinden. Den typischen Look der Zeit ala Nierentische und Co. gibt es dort nicht. Eine zweckgebundene neue Ästhetik entsteht. Brauns Elektrogeräte wirken oft leicht und transparent. Alle von Rams entwickelten Geräte und Produkte sind auf das Wesentliche reduziert. Sie erklären sich selber, können sofort benutzt werden, ohne langes Studieren von Gebrauchsanweisungen. Es geht um logische Lösungen, es geht um Zweckmäßigkeit. Zudem wird Bedienkomfort groß geschrieben. Die leichte und angenehme Bedienung der Geräte aus dem Hause Braun war neu und außergewöhnlich. So war etwa das Mehrfrequenzradio T 1000 im Jahr 1963 bereits am ersten Tag als es in die Geschäfte kam ausverkauft. Kunden ließen sich auf lange Wartelisten setzen. Aber was hat das alles mit dem Thema Redesign zu tun?
Das bereits erwähnte Mehrfrequenzradio T 1000 sieht aus wie der ältere Bruder des Mac Pro von Apple. Diese Ähnlichkeit ist kein Zufall. Vielmehr beruht sie auf der Philosophie von Klarheit, Einfachheit und Zweckgebundenheit, die hinter der Formgebung und Produktsprache steht; im Hause Braun wie im Hause Apple. Jonathan Ive, der seit Ende der 90er Jahre für die Gestaltung der gesamten Apple-Produktlinie verantwortlich zeichnet, bezieht sich in der Öffentlichkeit oftmals auf die Gestaltung Dieter Rams, nennt sie sein Vorbild. Er sei von Rams beeinflusst und geprägt. Man greife bei Apple bewusst die Gestaltung aus dem Hause Braun auf. So wie die Ähnlichkeit kein Zufall ist, ist sie kein Einzelfall. Es gibt eine Reihe von Geräten der Firma Apple die sich in einen direkten Vergleich mit Produkten der Firma Braun setzen lassen.
Der Opa des iPod
Guckt man sich ein Skizze von Rams zu dem TP 1 (Phonotransistor, tragbares Radio mit Plattenspieler) an, könnte man meinen, es handelte sich um eine Skizze des iPod der ersten Generation. Das TP 1 war zwar nicht so klein, dass man ihn in die Hemdtasche stecken konnte, aber er ist ganz eindeutig der Vorläufer des iPod. Die große Ähnlichkeit der gezeigten Geräte kann nicht geleugnet werden. Obschon oft einige Jahrzehnte zwischen den Produkten liegen und sie teilweise ganz verschiede Technikbereiche abdecken, sehen sie wie eineiige Zwillinge aus, zumindest aber wie Geschwister. Plagiat, heißt es da oft. Doch vielleicht passt hier eher der Begriff Redesign?
Transformation von Design
Laut Ive wird die Produkt- und Gestaltungssprache von Braun bei Apple beizeiten bewusst aufgegriffen. Eben deswegen kann auch von Redesign gesprochen werden. Dieser Zusammenhang mag für den Einen oder die Andere bisher etwas konstruiert klingen. Doch das folgende Beispiel dürfte überzeugen: Die Vorbildfunktion des Braun-Designs bei der Taschenrechnerfunktion des iPhone liegt klar auf der Hand. Denn bis auf ganz geringfügige Abänderungen hat Ive den Taschenrechner im iPhone (seit der ersten Generation im Jahr 2007) wie den Braun-Taschenrechner ET 33 gestaltet, den Rams 30 Jahre zuvor zusammen mit Dietrich Lubs und Ludwig Littman entwickelt hat. Das Design ist minimalistisch. Alles ist geordnet und nützlich. Die Ordnungsprinzipien sind klar und streng. Extras gibt es an keiner Stelle. Diese Ordnung hat Ive nicht einfach aufgegriffen, sondern er hat die Gestaltung und Ordnung genommen und in eine neue Technik eingebunden. Er hat sogar die nach außen gewölbten Tasten des ET 33 virtuell nachempfunden. Es handelt sich hier um kein Redesign, das eine Gestaltung mit dem Anspruch der Verbesserung verändern will.
Die lexikalischen Bedeutung von „Redesign“, dass neu- oder umgestaltet wird, greift hier natürlich nicht. Hier ist es komplexer. Es handelt es sich um ein Redesign, das das aufgegriffene Design so gut oder perfekt findet, dass die Gestaltung im wesentlichen unangetastet bleibt. Deshalb kann auch nicht von einem Designzitat gesprochen werden. Ein Zitat wäre zurückhaltender, marginaler. Doch die Ähnlichkeit der Gestaltung beim Apple-Taschenrechner mit dem ET 33 ist so groß, dass eher von einer Transformation des Designs in eine anders Format gesprochen werden sollte. Das Design wird der Zeit und ihren neuen technischen Formen angepasst. Insofern liegt ein Redesign vor. Da dieses Redesign aber nicht von der Firma Braun kommt, sondern von einem anderen Unternehmen, wird im Zusammenhang Braun-Apple oftmals von Plagiat gesprochen. Besonders oft fällt das böse Wort in dem Zusammenhang des iPhone-Taschenrechners und seinem Vorbild ET 33. Rams selber sagt dazu, dass er die neue Form des ET 33 als Kompliment seiner Arbeit empfindet und die Arbeit bei Braun habe einfach Grundsteine gelegt für eine Vielzahl moderner und erfolgreicher Produkte. Für Rams sei es sinnlos, das Rad immer neu erfinden zu wollen, denn gut funktionierende Dinge und Erkenntnisse müssten vor Innovationsdrang und krampfhaftem sich Abheben wollen stehen.
Anja Balssat, geboren 1977, studierte an der RWTH Aachen Germanistik, Philosophie und Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Danach kam das Studium am Fachbereich Gestaltung in Aachen zur Kommunikationsdesignerin. Nach langjähriger Arbeit in einer Werbe- und Textagentur kam die Selbständigkeit. Seit 2011 ist Anja Inhaberin der Agentur TechTick.Media in Köln. Dort wird gerne an Weblösungen gearbeitet, Informationsdesign gemacht und minimalistische Design- Lösungen stehen im Fokus.
Nima Sorouri, geboren 1977, studierte Germanistik und Geschichte an der Kölner Uni. Er arbeitete als Lehrer, und einige Jahre für die Fachhochschule Aachen mit am Projekt eLearning. Danach studierte er Communication & Multimedia Design in Aachen und an der Hogeschool Zuyd, Maastricht. Nach dem Studium machte er sich selbständig und ist Mitgründer der Agentur TechTick.Media in Köln. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt vor allem beim responsivem und mobilen Design.
Übersichtsbild / Quelle: mac-history.de