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TYPO Berlin Tag 2, 18 Uhr: Prof. Gerd Fleischmann

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Wenn man Prof. Gerd Fleischmann betiteln sollte, könnte man ihn einen typografischen Historiker nennen, so Johannes Erler zur Vorstellung Fleischmanns in der TYPO Hall. Der 1939 in Nürnberg geborene Typograf betrachtete als Erster die berühmten »Thesen über Typographie« von Kurt Schwitters mit einer typografischen Brille, angefangen bei These I »Typographie kann unter Umständen Kunst sein« bis zur These X »Die Forderung des Inhaltes an die Typographie ist, daß der Zweck betont wird, zu dem der Inhalt gedruckt werden soll«.
Die Kunstwissenschaft hat diese Thesen aus MERZ 11 – Pelikan von 1924 zwar immer wieder zitiert, jedoch nie gefragt, welche Bedeutung sie für die Typografie haben. Kurt Schwitters, Erfinder von MERZ, spielte mit der Typografie. Das Wort »Typo-Reklame« nutzte er für seine Werbeagentur.  
Fleischmann untersuchte in seinem Vortrag jede einzelne These und deren Bedeutung für die Typografie und machte den Kontext der damaligen Zeit deutlich. 
So belegt These VII beispielsweise, dass die Qualität der Schrift nicht so wichtig sei wie die Qualität des Gesamteindrucks – Schwitters hätte zwar für das Erscheinungsbild Hannovers die Futura vorgeschlagen, jedoch war der Einkauf, der in Blei gegossenen Schrift, für sämtliche Einsatzzwecke zu teuer, sodass man durchaus auch eine andere vergleichbare Type hätte nutzen dürfen. 
These X: »Die Forderung des Inhalts an die Typographie ist, dass der Zweck betont wird, zu dem der Inhalt gedruckt werden soll« – oder einfacher formuliert, so Fleischmann: Die Forderung des Klempners an den Wasserhahn ist, dass Wasser fließt – oder nicht.

 
Aus der Vor- und Nachbemerkung Schwitters: »Über Typographie lassen sich unzählige Gesetze schreiben. Das wichtigste ist: Mach es niemals so, wie es jemand vor dir gemacht hat. Oder man kann auch sagen: Mach es stets anders, als es die andern machen.«
 
Fleischmann schloss seinen Vortrag mit einem »Auftritt« Schwitters, der seine Ursonate in Ton und Bild zum Besten gab.

Biografie Prof. Gerd Fleischmann:

*1939 in Nürnberg / 1943–45 Evakuierung im Bayerischen Wald / seit 1954 Reisen kreuz und quer durch Europa, die Türkei und Nordafrika – vom Nordkap bis ins Fezzan-Gebirge in Libyen / Studium in Erlangen (Physik) und Berlin (Kunst- und Werkerziehung, Mathematik) u. a. bei Karl Ludwig Schrieber, Fred Thieler, Willem Hölter, Walter Hess, Heinz Hajek-Halke, Carl-Ludwig Furck und Karl Peter Grotemeyer / Einrichtung des ersten Fotolabors an der Abteilung IV der Hochschule für Bildende Künste Berlin, zusammen mit Klaus (Paul) Märtens und Deidi von Schaewen / 1965 Beginn als Buchgestalter mit Ein Jahr Großgörschen 35 unter dem Pseudonym Lorenz Frank / 1970–71 Mitarbeiter im Institut für Kommunikatonsplanung, Bonn, im Vertrauen auf die neue Politik von Willy Brandt (»Wir wollen mehr Demokratie wagen.«) / 1971–2003 Lehre am Fachbereich Design der Fachhochschule Bielefeld, Gastprofessuren u. a. in Dublin (NCAD); Halifax, Nova Scotia (NSCAD); Hanoi (University of Fine Arts) und San José (Universidad de Costa Rica, Escuela de Artes Plásticas) / 1984 bauhaus. typografie, drucksachen, reklame (Edition Marzona) / 1989 Einführung des Macintosh am Fachbereich Design / Projekte und Ausstellungsgestaltungen zur NS-Vergangenheit, u. a. Irish Country Posters—Plakate in der irischen Provinz / Köln im Nationalsozialismus / aktuell: Industrie und Holocaust. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz – Typografie war ein Zufall und wurde zur Leidenschaft.

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