documenta 14 – »Von Athen lernen«

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Anfang April waren wir in Athen zur Produktion der Herbst/Winter-Ausgabe von Slanted. Zeitgleich eröffnete die documenta 14, die weltweit größte Kunstschau. Zum ersten Mal hat die documenta zwei feste, große Standorte – erst Athen, dann Kassel. Mehr als 160 Künstler werden dabei ihre Arbeiten zeigen und Themen wie Migration, Finanzkrise und Zensur behandeln.

 

Enttäuscht hat uns gleich eins: kein einziger griechischer Designer wurde eingeladen, eines der vier Plakate zu gestalten. Anstelle dessen setzte das Kuratoren-Team um den künstlerischeren Leiter Adam Szymczyk auf bekannte und renommierte Persönlichkeiten: Ludovic Balland Typography Cabinet/Basel, Julia Born & Laurenz Brunner/Berlin & Zürich, VIER5/Paris & Kassel, Mevis & Van Deursen/Amsterdam.

 

Die Griechen haben sich im Vorfeld der documenta 14 nicht besonders für die alle fünf Jahre stattfindende Kunstschau interessiert. Zu offensichtlich sind die Probleme in der Finanzkrise, die Menschen sind gefangen zwischen Arbeitslosigkeit und steigender Armut, die Kluft zwischen reich und arm ist gewaltig und vergrößert sich rapide. Eine Hoffnungslosigkeit hat sich breit gemacht. Nur noch selten finden große Kundgebungen statt. Dennoch, gleich am ersten Tag der Eröffnung sahen wir eine Demonstration auf einem zentralen Platz Athens. Viele alte Menschen demonstrierten gegen die gekürzten Renten. Die schwarze 14, mit der die Ausstellungsmacher in Athen warben, interessierte niemanden.

 

Wir besuchten das EMST (Museum für Zeitgenössische Kunst) – ein wunder Punkt griechischer Kulturpolitik: Es wurde gebaut, aber mangels Geld bisher nie bestückt und vollständig eröffnet. Nun ist es einer der mehr als 40 Ausstellungsorte im ganzen Stadtgebiet.

 

Die vier Reiter, darunter zwei Deutsche, welche auf ihren Pferden von Athen aus 3.000 Kilometer weit über den Balkan bis in die documenta-Geburtsstadt Kassel reiten, haben wir verpasst. In rund 100 Tagen sollen sie ankommen, hofft der für die Aktion verantwortliche schottische Konzept-Künstler Ross Birrell.

 

In der Presse wird die documenta gerne kritisiert. Der Kunstexperte und Autor Christian Saehrendt (Buch: »Ist das Kunst oder kann das weg?«) meint, die documenta-Kuratoren hätten zuletzt zwanghaft brisante Themen wie Griechenland-Krise oder Flüchtlingsströme aufgegriffen, um dem leerlaufenden Kunst-Zirkus politische Relevanz zu verschaffen. »Die Kunstwerke spielen hier oft nur die Rolle von Illustrationsmaterial für Kuratorenthesen und -karrieren.« Für Saehrendt ist die Aufteilung der documenta 14 in zwei Standorte bedenklich »Die Sorge ist berechtigt, dass die Documenta mit dem Athen-Gastspiel ihren einzigartigen Charakter verliert und im globalen Biennalenzirkus aufgeht.« (Quelle: haz

 

Wir fanden die Idee jedoch ganz gut, die documenta in Athen stattfinden zu lassen, in einer Stadt in der für kulturelle Aktivitäten überhaupt kein Geld mehr vorhanden ist. Sie wirft damit viele Fragen auf, auch in Hinblick auf Europa. Das hat auch der Bundespräsident Steinmeier begriffen. In seiner Eröffnungsrede in Athen rief er zur Überwindung politischer und ökonomischer Gräben auf und sprach sich für ein starkes »Europa der 27« aus. 

In Athen findet die documenta noch bis 16.7. statt, in Kassel vom 10.6. bis 17.9.2017. Die Slanted Ausgabe Athen wird Anfang November 2017 erscheinen!

© Fotos: Daniel Rupp