Weißt Du noch?
Tim Rodenbröker geht in seiner Bachelorarbeit der Zeitgeschichte aus Subjektperspektive auf den Grund. Anhand von Interviews und Statements erzählt er die Story seiner Generation.
Pressetext: Was ist das für eine Zeit in der ich lebe? Als Kind glaubte ich mich stets in Sicherheit: Die Dinge, die da draussen in der Welt geschahen, waren für mich sehr weit weg. Sie waren mir egal. Ich kann mich vage an die Tagesschau erinnern, die meine Eltern jeden Abend im Fernsehen geschaut haben, manchmal sah man dort Turbanträger mit Kalaschnikows, oft fiel das Wort »rechtsradikal«, von dem ich nicht wusste, was es bedeutet. Die achtziger und neunziger Jahre habe ich als Kind und Jugendlicher politisch nicht wahrgenommen. Zu Anfang des neuen Jahrtausends trat das Weltgeschehen jedoch mit einem lauten Knall durch die Medien in mein Leben: Am 11. September 2001 begann ich zu verstehen, dass die Dinge, die da in den USA stattfanden, mit mir zu tun haben. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, Teil der Zeitgeschichte zu sein und was bis dato weit entfernt war, kam mir an diesem Tag entsetzlich nah. Das hat mein Denken sehr verändert.
Seit diesem Erlebnis verfolge ich aufmerksam, was in der Welt vor sich geht. Die Immobilien- und Eurokrise, der Umsturz in einigen arabischen Ländern, der blutige Bürgerkrieg in Syrien, das folgenschwere Atomunglück in Fukushima … Allein in den vergangenen fünf Jahren ist auf der Bühne der Zeitgeschichte sehr viel Beunruhigendes geschehen. Auch auf technologischer Ebene ist die Welt eine Andere geworden. Mich als Kommunikationsdesigner betrifft das in besonderem Maße.
Wenn sich die Geschichte reimt, wie es Mark Twain einmal gesagt hat, dann möchte ich gerne verstehen, was in der Vergangenheit zu dem geführt hat, was wir heute als selbstverständlich ansehen. Wie kam es zu den Anschlägen auf das Pentagon und das World Trade Center? Meine Generation hat mit großen Unsicherheiten zu kämpfen, doch haben meine Eltern und ihre Altersgenossen nicht auch unüberschaubare Probleme bewältigen müssen? Ist die Welt heute wirklich komplizierter geworden als früher?
Aus diesen Überlegungen ergab sich die Kernfrage, mit der sich diese Arbeit beschäftigt: »Was ist das für eine Zeit, in der ich lebe?«. Natürlich kann ich darauf keine allumfassende und endgültige Antwort geben. Vielleicht ist diese Frage sogar eine Art »Koan«, eine Antwort so unmöglich wie mit einer Hand zu klatschen oder seinem eigenen Schatten davonzulaufen. Entfernt man sich jedoch vom Anspruch, diese Frage zu beantworten, wird der Weg zum Ziel und die Suche zu einer interessanten und lehrreichen Reise durch die Fußnoten der Zeitgeschichte. Die individuelle Wahrnehmung ist das, was in den Geschichtsbüchern und Chroniken verborgen bleibt und nur lesbar wird, wenn man zwischen den Zeilen liest. Sie erzählen die Geschichte unserer Zeit aus der Subjektperspektive. Um in diese Fußnoten eintauchen zu können, habe ich mich entschieden, Gespräche mit Zeitzeugen über ihre Wahrnehmung bestimmter Ereignisse und Entwicklungen zu führen, die von mir aufgezeichnet werden. Damit lege ich den Grundstein für diese Arbeit.
Tim Rodenbröker im Slanted Interview:
»Weißt Du noch?« ist das Ergebnis einer spannenden Entdeckungsreise durch die Fußnoten der Zeitgeschichte zwischen 1985 und 2012. Wie kamst du auf die Idee?
Die Zeit in der ich lebe ist einfach hochspannend! Da ist so viel passiert und ich hatte einfach sehr viele Fragen im Kopf. Die meisten Ereignisse habe ich als Kind nämlich gar nicht wahrgenommen, dennoch sind sie in meinem Lebenszeitraum passiert und betreffen mich und meine Generation. Beispiel: Der kalte Krieg oder das Leben im der DDR. Ich wollte das reflektieren, verstehen und auch für andere Menschen auf unterhaltsame Art und Weise verständlich machen.
Dir ist es gelungen einen neuen Blickwinkel auf die Ereignisse der letzten 27 Jahre zu schaffen. Welche Rolle spielt deine Persönlichkeit in diesem Zeitgeschehen?
Naja, ich war derjenige, der losgegangen ist um sich einen Überblick zu verschaffen. Meine Persönlichkeit spiegelt sich vor allem in den Personen wider, die ich befragt habe, denn sie sind mein Netzwerk, mein Kreis von Menschen, mit denen ich bei diesem Projekt zu tun hatte. Das sind teilweise entfernte Bekannte, aber auch eine Hand voll Prominente. Eben Menschen, die mich interessiert haben. Jetzt, nach Ausgabe 1 könnte ich losgehen und aufgrund der Öffentlichkeit, die meine Arbeit bekommen hat viele weitere Personen interviewen. Ich sehe Band 1als eine Art Grundstein für eine Serie von Publikationen.
Aus welchem Grund beschäftigst du dich hauptsächlich mit den negativen Ereignissen und deren Folgen für die Menschheit?
Ist der Begriff »negativ« wirklich der Richtige? Nun ja, ich habe das nicht bewusst so entschieden. Mich haben vor allem politische und medientechnologische Aspekte unserer Zeit interessiert. Ich mag es, kritische Fragen zu stellen und habe auch nichts gegen kritische und ehrliche Antworten.
Die Zeit bleibt nie stehen. Wirst du dich weiterhin mit dieser Thematik auseinandersetzen?
Ja, gute Idee! Ich würde das Projekt sehr gerne fortsetzen und mein Netzwerk an potenziellen Gesprächspartnern erweitern. Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich an einer Fortsetzung arbeite. Ich möchte gerne noch ein paar Monate vergehen lassen, um das Projekt zu reflektieren.
Danke für das Interview!
Weißt Du noch?
1985 – 2012
Zeitgeschichte aus
Subjektperspektive
Gestaltung und Konzept: Tim Rodenbröker
Hochschule: FH Münster
Veröffentlichung:
6. Februar 2013Umfang: 120 Seiten
Format: DIN A5
Sprache: Deutsch
www.timrodenbroeker.de
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