Atomares Endlager / DESIGN PF
Bei der Werkschau der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim am 8. und 9. Februar wurde ein fachübergreifendes Thema des Studiengangs Visuelle Kommunikation plakativ sichtbar.
Im Wintersemester hatten sich die Studierenden vom ersten bis zum sechsten Semester mit dem Thema Atomares Endlager auseinandergesetzt. Die Ergebnisse aus den einzelnen Fachrichtungen (Fotografie, Illustration, Kommunikation im Raum, Print, Typo, Werbung und Text etc.) haben unterschiedliche Aspekte der Endlagerproblematik aufgegriffen: Wie wird die Suche nach einem atomaren Endlager in der Gesellschaft kommuniziert? Wie kann man nachfolgende Generationen in bis zu einer Million Jahre vor einer Endlagerstätte warnen? Was habe ich mit der Anti-AKW-Bewegung der 70er und 80er Jahre zu tun? Gibt es demnächst ein atomares Endlager auf der Schwäbischen Alb? Das Thema erzeugt Ängste, ist eng mit den Themen Sicherheit und Semiotik verknüpft, mit Dauer, Finalität oder Rückholbarkeit, mit Wissenschaften …
Zu Semesterbeginn wurden die Studierenden durch eine Reihe von Auftaktveranstaltungen (Vorträge unterschiedlicher Experten aus Physik und Politik- und Sozialwissenschaften, Filme, Gespräche mit ehemaligen Aktivisten und Geschäftspartnern der Atomenergie) mit der Thematik konfrontiert.
Auf Grundlage dieser Eindrücke und Informationen wurden in den einzelnen Fachrichtungen Projekte erarbeitet, die schließlich auf der Werkschau einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden – darunter auch dem baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller.
Laut Pressetext war dort ein umfangreiches Abbild der Meinungen und Haltungen von Studierenden zu sehen, »die es als größten Erfolg bezeichnen würden, wenn durch die Auseinandersetzung ihrer Arbeit dieses Thema auch in den öffentlichen Focus geraten würde.«
Wir haben auf der Werkschau eine Reihe visueller Eindrücke gesammelt und uns mit einer Gruppe von Studierenden unterhalten.
Wie war es aus eurer Sicht, für alle Studienfächer ein einheitliches Thema zu bekommen, und dann ein derart brisantes?
Daniel Fuchs: Eigentlich ist es schon gut, ein Überthema zu bekommen. So kann man konsequent an einem Projekt dranbleiben und die verschiedenen Fächer mit einbeziehen. Vielleicht wird es ein bisschen unfrei, es ist aber auch ganz schön, dass man einen Rahmen hat. Ich hätte mir vielleicht vom Thema etwas anderes gewünscht, das hat mir am Anfang nicht so zugesagt. Hat lange gedauert, die Recherche ist auch extrem aufwändig gewesen. Es fehlte einem natürlich am Anfang viel Wissen, und daher war die Zeit am Ende kurz.
Miriam Szijarto: Es war ziemlich schwierig, bei dem Thema die Wahrheit herauszufinden. Am Anfang war ich auch ziemlich skeptisch, aber ich habe mich auch gefreut, weil ich in der Nähe von einem Atomkraftwerk aufgewachsen bin. Ich habe dadurch mitgekriegt, wie Menschen dazu stehen, dass die da auch nicht Bescheid wissen, was da so passiert, bei einem Super-GAU. Sie wissen bis heute nicht, was sie in so einem Fall machen sollen. Das hat mich dann schon ziemlich schockiert, und es war wichtig, dass wir uns jetzt so damit beschäftigt haben und dass wir das so rüberbringen.
Besucherin (Name unbekannt): Also ich komme als Besucherin und ich bin eigentlich auch gegen Atomkraft, aber wir hatten es gerade davon: eigentlich wäre es ganz interessant, die Für-Welt zu sehen, es gibt ja auch viele Menschen, die für Atomkraft sind. Für eine kritische Auseinandersetzung braucht man immer das Für und das Wider, und dann erst kriegt das Ganze eine Spannung. Natürlich hört sich das komisch an, wenn man dagegen ist, aber das fehlt mir so ein bisschen.
Raphaela Riegraf: Ich glaube, es ging bei uns nicht darum, gegen das Atomare Endlager zu sein. Sondern eher das Thema provokant zu thematisieren, um aufzuwecken, aufzurütteln. Es geht nicht darum, dass wir dagegen sind, sondern eher, sich darum zu kümmern und die Leute anzusprechen. Deswegen wirken die Sachen vielleicht auch bedrohlich, weil es ja auch ein kritisches Thema ist. Aber ich denke, da ist nichts, das einfach sagt: Atomares Endlager ist schlecht. Das habe ich jetzt auch bei keinem rausgehört. Es ging mehr um den informierenden Faktor.
Stephan Ulrich: Naja, es ist ja auch wichtig zu sagen, dass es nicht um Atomkraft geht, sondern um die Endlagerung. Also spielt es keine Rolle, ob man dafür oder dagegen ist. Es geht ja um diesen Atommüll, da ist es völlig irrelevant, wie du politisch dazu stehst, der ist halt da, ob du jetzt Atomkraft befürwortest oder nicht. Und ich glaube, da haben sich viele Arbeiten auch freigemacht von der ganzen Sache.
Daniel Fuchs: Das ist ja auch kein politisches Problem. Egal welche Partei dran ist, sie ist immer mit demselben Problem konfrontiert. Das ist ein gesellschaftliches Problem, und ich glaube auch nicht, das hier irgendwie krass radikale Sachen entstanden sind, die sehr unreflektiert sind. Es ist halt eine gefährliche Sache. Also eigentlich ist es ja eher so, dass allgemein viel zu wenig mit dem Thema umgegangen wird. Das fällt mir mittlerweile auf, nachdem man sich da ein halbes Jahr mit beschäftigt hat. Es kommt überhaupt nicht heraus, wie gefährlich das Ganze ist. Wenn man sich überlegt, was nach Fukushima passiert ist oder was darüber herauskommt, das ist eher ein Witz. Vor den USA findet man schon atomare Verseuchung. So etwas kommt ja nicht in die breite Öffentlichkeit.
Raphaela Riegraf: Die Leute haben eine Art Immunität entwickelt. Wenn so etwas passiert, sind schon alle sehr betroffen. Aber das flacht dann auch wieder ab, und dann ist es vergessen, bis etwas anderes kommt. Ich habe das jetzt auch gemerkt, als ich mich damit beschäftigt habe. Es kam etwas im Radio, was ich früher wahrscheinlich total überhört hätte, mit einem atomaren Unfall oder einem Transport. Wenn wir jetzt hellhörig geworden sind, dann können es die anderen Leute auch in unseren Arbeiten sehen.
Hat jemand das Thema als total schwer empfunden, im Sinne von bedrückend, oder schwierig, damit in die eigene Arbeit hineinzukommen?
Rebecca Metzger: Also ich fand, es war am Anfang ziemlich bedrückend, als wir erstmal die 5 Vorträge angehört und die vielen Filme angeschaut haben. Und wir haben ja auch wirklich eine Exkursion zum Schacht Konrad unternommen. Es ist schon ein harter Brocken, weil alles, was man darüber liest, einen belastet. Man konfrontiert sich ja mit totaler Ungewissheit und das macht Einem schon Angst. Auf der anderen Seite ist das ja aber auch super gut. Normalerweise wird das Thema eher unter den Teppich gekehrt. Deswegen fand ich es eine gute Sache, dass wir auch ein Stück weit darauf angewiesen waren, das jetzt mal wirklich genauer anzuschauen und sich damit auseinanderzusetzen.
Wie war das übergreifende Thema denn für die MitarbeiterInnen oder die Lehrenden?
Achim Roemer (Wissenschaftlicher Mitarbeiter): Für uns war es auch ein größerer Aufwand als sonst. Wir haben wirklich viele Vorträge zu organisieren gehabt. Und einfach mal rein praktisch war es für alle Beteiligten auch ein bisschen ein Experiment. Wir wussten ja nicht, was am Ende wirklich passiert, ob alles zu gleich wird. Was wir auch gemerkt haben ist, dass es natürlich auch ein größerer Aufwand für die Studierenden war, dass die da schon mehr an die Grenzen gekommen sind als sonst. Die Frage ist auch immer, ob es dann weiterführt: wenn man so ein gesellschaftlich relevantes Thema bearbeitet, hat das jetzt auch was ausgelöst, das man da jetzt was gestaltet hat mit gesellschaftlicher Verantwortung. Also von diesem Thema weg, ob man das auf weitere Themen übertragen kann, ob vielleicht generell eine Einstellung geändert wurde.
Habt ihr während des Semesters oder jetzt auf der Werkschau Feedback bekommen?
Miriam Szijarto: Wir haben ja ein paar Interviews geführt mit den Anwohnern von Atomkraftwerken, aber da ging es echt weniger darum, dass wir uns mit dem Thema beschäftigt haben, sondern warum die so ein Leben haben: neben einem Atomkraftwerk zu leben. Ich hab jetzt auch Bewerbungsgespräche gehabt, da wurde ich dann komisch angeschaut: »Warum habt ihr denn so ein politisches Thema? Was ist los mit euch?« Wir wurden eher belächelt.
Raphaela Riegraf: Ich glaub’ man hat auch so ein Image als Hippie, wenn man dagegen ist, und wenn man aktiv was gegen Atomkraft macht. Man wird sofort an die Anti-AKW-Bewegung erinnert.
Stephan Ulrich: Gerade Grafik Design kann so toll politisch sein, da kann man so viel machen. Das wird natürlich auch oft missbraucht, aber als Grafiker kann man unglaublich viel damit bewegen. Und ich fand es auch unheimlich gut, dass man auch politisch hätte werden können. Das Thema macht das her. Ist halt die Plattform geboten, meiner Meinung nach, sollte vielleicht mehr passieren.
Quimey Servetti: Ich hatte ein Interview mit einem Aktivisten, da gab es in Bayern in der Nähe vom Nationalpark eine Bürgerinitiative, und der war ziemlich begeistert davon, dass sich Schule und vor allem Studenten überhaupt damit beschäftigen und das versuchen zu transportieren. Er hat gemeint, dass es politisch an allen vorbei geht, und dass auf jeden Fall etwas in die Öffentlichkeit kommen muss. Und dass er es auch nicht ganz versteht, warum es in Deutschland nicht so präsent ist, obwohl das Thema Atomkraft in Deutschland ja eigentlich total emotional behandelt wird, also schon immer. Wenn man jetzt nach Frankreich schaut, denen ist das ja relativ egal, wenn da irgendwas von da nach da transportiert wird. Da geht’s ja hier relativ ab, das versteh’ ich auch nicht ganz, warum das so eine Flaute kriegt mit der Entsorgung.
Könntet ihr euch vorstellen, so etwas noch einmal zu machen? Eine große, übergreifende Themenstellung während der kommenden Semester?
Daniel Fuchs: Also gerade wenn man seine Energie in eine Richtung konzentrieren und die anderen Fächer einbeziehen kann, hat man einfach die Chance, ein viel größeres Projekt zu machen, und viel intensiver daran zu arbeiten. Ich finde es an sich schon eine gute Sache zu sagen, jeder hat die Chance, einmal an einem fächerübergreifenden Projekt zu arbeiten.
Achim Roemer: Gab es denn eigentlich Reaktionen aus den anderen Studiengängen?
Raphaela Riegraf: »Ihr seid doch die mit dem Endlager.« Das war schon voll bekannt.