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Diplomarbeit von Marius Holtmann

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Marius Holtmanm hat an der FH Dortmund sein Grafik Design Diplom studiert und stellt uns hier seine Arbeit vor. Die Arbeit visualisiert verschiedenste Datensätze zu einem Fußballspiel: Von Pass-Statistiken bis Fangesängen, von Internet-Streams bis Emotionen der Spieler.

Das Spiel wird auf zweierlei Weise visualisiert. Durch das Buch verläuft ein Datenstrahl, der die Spielereignisse parallel zueinander darstellt. Zusätzlich gibt es ausklappbare Plakatseiten, auf denen einzelne Datensätze intensiv analysiert und visualisiert werden. Hierzu wird jeweils eine innovative, auf den Inhalt zugeschnittene Form gefunden.

Alle Daten werden abstrahiert auf einer hohen Detailstufe dargestellt. Den Visualisierungen wird eine klare und schlichte Form gegeben, die erst durch die Datensätze gefüllt und gestaltet wird. Dies ermöglicht einen neuen Blick auf das Fußballspiel - es wird zu einem Datenerlebnis, neue Zusammenhänge werden sichtbar.

Warum eine Diplomarbeit zum Thema Fußball?

Aus dem Arbeitersport Fußball ist in den letzten Jahrzehnten ein Event geworden, an dem viel mehr hängt als der rein sportliche Erfolg. Um unter dem stetig ansteigenden Konkurrenzdruck noch einen Vorteil gegenüber anderen Vereinen gegenüber anderen zu haben, mussten neue Wege gefunden werden, den Erfolg zu maximieren, oder anders gesagt, den Misserfolg zu minimieren. Der Faktor Zufall musste weitestgehend ausgeschaltet werden. Neben neuen Trainingsmethoden war es daher ein logischer Schritt, detaillierte Daten zu jedem Spiel und den Akteuren zu ermitteln. 

Doch die vermeintliche Kontrolle über das Spiel entpuppt sich lediglich als eine Kontrolle über die Daten, die zu einer fortschreitenden Entfremdung vom Spiel selbst geführt hat. In der Datenwelt spielt es letzten Endes keine Rolle mehr, welches Spiel der Sammelwut zugrunde liegt. Man könnte auch sagen: Die Seele des Spiels ist verloren gegangen.

An diesem Punkt setzt die Arbeit an.

Die Entfremdung vom Spiel wird überspitzt, indem die Mannschaften, die Spieler und alle Hinweise auf die Herkunft der Daten anonymisiert werden. Die Informationen werden auf die wesentlichen Bestandteile des Spiels reduziert: Elf Nummern bei Mannschaft A, elf Nummern bei Mannschaft B.

Anschließend werden die Emotionen des Spiels wieder hinzugefügt, indem man sie auf die gleiche Weise behandelt wie alle restlichen Daten. Jedoch verhalten sie sich gegensätzlich. Während mit einer höheren Detailstufe bei objektiven Daten der Erkenntnisgrad zunimmt, verschwimmen die Motive bei den Emotionsdaten. Sie verlieren ihre ursprüngliche Bedeutung und geben dadurch Raum für Interpretation. An dieser Grenze bewegt sich die Arbeit und versucht sich so an einer neuen Sicht auf den Fußball.

Welche Schriften hast du verwendet und warum?

Zunächst einmal beinhaltet die Arbeit zum größten Teil Daten, die dargestellt und ausgezeichnet werden mussten. Hierzu bot sich eine Grotesk-Schriftart an, die für eine kühle Objektivität steht.

Nach vielen Tests mit unterschiedlichsten Schriftarten kristallisierten sich einige wenige heraus, die die Anforderungen zum größten Teil erfüllten:
— gleichmäßige Strichstärke
— wenn möglich eher condensed als wide, um bei großen Datenmengen Platz zu sparen
— gute Lesbarkeit in kleinen Schriftgrößen
— Versalziffern
— guter Gesamteindruck, keine „störenden“ Buchstaben oder Ziffern

Die Wahl fiel letzten Endes auf die "Zwo" von Jörg Hemker , die in allen Punkten überzeugen konnte. Zudem mutet sie sehr technisch an und erinnert an die auf architektonischen Zeichnungen verwendete Schriften. Das Raster, das allen Zeichen der Schriftart zugrunde liegt, scheint fast noch sichtbar zu sein.

Des Weiteren enthält die Arbeit eine kommentierende Ebene, zu der sowohl Analysen der Daten als auch Überschriften zählen. Hierfür habe ich eine Antiqua ausgewählt. Diese musste sich einerseits genügend von der Grotesk absetzen, um die unterschiedlichen Ebenen zu verdeutlichen, aber auch gut mit ihr harmonieren. Die wunderbare "Collis" von Christoph Noordzij von der Enschede Font Foundry ist dafür wie geschaffen. X-Höhe und Strichstärke sind nahezu identisch zur Zwo, und sogar Details wie die Rundung des O oder der Verlauf des S passen sehr zusammen. Trotzdem wirkt die Collis sehr klassisch und im Gegensatz zur technischen Zwo eher handgemacht.

Was hast du während/durch deine Arbeit gelernt?

Ich habe gelernt, dass die Grenze zwischen sinnvoller Datenvisualisierung und bloßer grafischer Anhäufung von Datensätzen fließend ist. Man muss sehr genau hinschauen, welche Daten von Interesse sind, eine klare Aussage haben und das Gesamtbild vervollständigen, ohne es undurchschaubar zu machen. Je mehr man ins Detail geht, desto weniger weiß man über das Ganze.

Marius Holtmann
[email protected]
www.yeahyeah.net





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