Ein Tag der Typografie in Bern
Am Samstag ging die Reise von Zürich nach Bern zum Tag der Typografie. Etwas außerhalb von Bern organisierte syndicom, die Gewerkschaft für Medien und Kommunikation einen wirklich gelungenen und abwechslungsreichen Tag. Die geladenen Gäste führten die Zuhörer von einem Rückblick in die Schweizer Grafik, über Details zu Orientierungssystemen und Typedesign hin zu kreativen Arbeitsmethoden.
Mit dem Zitat »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche« von Che Guevara begrüßten uns Hans Kern, Zentralsekretär von syndicom, und Lukas Hartmann. Das Wort übernahm der legendäre Schweizer Typograf Jost Hochuli, von Haus aus Gebrauchsgrafiker und Setzer. Er führte uns in seiner ruhigen Art durch die Schweizer Grafik der 40er bis 60er Jahren. Hauptakteure des Vortrages sind Arbeiten von Max Bill, Adrian Frutiger und Jan Tschichold. Bill und Tschichold zeigen über Jahre hinweg Gemeinsamkeiten in ihren typografischen Arbeiten. Er geht auf die anfängliche Freundschaft der beiden ein, die sich später zur Feindschaft entwickelte. Ein »Typografiestreit der Moderne« so Hochuli. Anhand von vielen eindrücklichen Arbeiten zeigt er die weitere Grafisches Entwicklung von Bill auf.
Ein von Bill gestaltetes Buchcover mit seiner tänzerisch raffinierten Symmetrieachse.
Auch die unterschiedlichen Standpunkte zur Helvetica kommen zur Sprache. Wie die Basler gegenüber den Zürchern die Helvetica hassen und mehr zur Univers stehen. Mit seiner weiterführenden Aussage »Die Schweizer Typografie ist irreführend«, geht er auf weitere Typografen ein, wie Theo Frei, die nie im Zusammenhang der Schweizer Typografie genannt wurden, weil seine Arbeiten nicht direkt in eine Schublade passen. Die Strömung der 30er bis 60er Jahre bezog sich nur auf den deutschsprachigen Raum der Schweiz und wurde von einem kleinen Kreis gepflegt.
Sein Vortrag beendet er mit der Aufforderung Mut aufzubringen, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Nach einer kurzen Pause wechselte die Sichtweise von der Schweizer Typografie auf den weltweiten Umgang mit Typografie an Flughäfen. In die Welt der Wegweisenden Identitäten gaben Sibylle Schleich und Heike Neil von Moniteurs aus Berlin. Neben den Arbeiten für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg zeigen sie Material aus ihrer Recherche und die geschichtliche Entwicklung der Signaletik im Jetsetzeitalter. Mit der Aussage »Flughäfen wachsen, auch Leitsysteme müssen wachsen« gehen Sie auf die teils komplexe Bauweise von Flughäfen ein. Neben Vergleichen verschiedener Orientierungssystemen der Airports Paris, Amsterdam und vielen mehr, ist die Entwicklung bis zur heutigen Darstellung der Leitsysteme doch spannend zu beobachten. Von den anfänglichen Schwarz-Weiß-Darstellungen bis hin zur weitgehend verbreiteten Verwendung von Gelb und Schwarz. Und schließlich die heutige Tendenz der Verwendung von zusätzlichen Farben und Piktogrammen. Klingt erstmal ziemlich banal, doch die Entwicklung der Flughafen ist nicht nur von der Infrastruktur und Architektur enorm, sondern auch Typografisch gesehen. Die Identität eines Gebäudes, die gesamte Architektur und die Umgebung kann typografisch auf das Leitbild übertragen werden. Ein nicht immer leichte Gradwanderung.
Doch welche Schriften kommen hauptsächlich zum Einsatz: Hong Kong – Helvetica, Singapur – Frutiger, Seol – Frutiger, München – Univers, … und das Rennen macht schlussendlich die Frutiger knapp gefolgt von der Helvetica. Auf dies und vieles mehr gingen Frau Schleich und Frau Neil in ihrem Vortrag ein, immer im Bezug zu ihrer eigenen Arbeit am Leitsystem für Berlin-Brandenburg.
Auch dieser Flughafen hat einen Bereich für Billigfluglinien vorgesehen, doch hier sollte die Signaletik preiswerter sein und dies auch kommunizieren. Schlussendlich wird es wohl der schönere Teil im Flughafen, da sie mit ihrem Leitsystem großflächig direkt auf die Wand gehen. Kontrastprogramm zur hochwertigen Beschilderung im restlichen Teil des Flughafen. Strategisch soll das auffällige Leitsystem in der Billigflugarea zudem die Ausbreitung der Werbung verhindern.
Zum Abschluss gab es noch einen Ausblick auf die unterschiedlichste Formen der Piktogrammwelt. Die ersten Leitsysteme kamen noch ohne den Einsatz von Piktogrammen aus. »Es galt als unfein auf Männlein und Weiblein zu schauen und dabei an Toiletten zu denken« so die Vortragenden.
Insgesamt ein sehr breitgefächerter Vortrag, der nicht nur Einblick in die eigene Arbeit zeigt, sondern auch einen Blick auf die historische Entwicklung der Signaletik gab.
Der Flughafen »Charles de Gaulles« in Paris stellte ihre Piktogrammpalette aus unterschiedlichen Systemen zusammen, dagegen entwickelte Tokio ihr eigene Piktogrammumgebung.
Das zweite Piktogramm von Rechts stellt übrigens ein Taxi in Indien da. Für jeden Inder direkt ersichtlich.
Am Nachmittag ging es dann weiter mit »Typography from London«. Nun kommt noch einer weiterer typografischer Aspekt zur Sprach, das Typedesign. Henrik Kubel von A2/SW/HK gab uns einen klassischen, aber sehr anschaulichen Einblick in seine Arbeiten. Er und sein Partner Scott Williams erarbeiten für ihre Kundenprojekte meiste neue Schriften, auf den Objekt angepasst. Dabei greift Henrik Kubel vorerst gern zu Stift und Papier und fertigt einige Skizzen an.
Für das Magazin »Toronto Life« arbeitete er komplett analog, griff zur Spraydose und entwickelte den Schriftzug für das Cover auf einer meterhohen Sperrholzplatte. Bei der analogen Arbeiten passieren auch mal Fehler, aber ihm ist es dabei wichtig, einfach weiter zu machen.
Auch für das Magazin »Wallpaper« entwickelte er eine Schrift, eine India Typeface. Inspiriert durch das Punktraster auf welches viele Ornamente in Indien bestehen.
Für die gerade fertiggestellte Antwerp fand er seine Inspiration im Plantin-Moretus Museum im belgischen Antwerpen. Zahlreiche Schriften dienten als Vorbild für die moderne und doch historisch angehauchte Schrift. Alle seine gezeigten Arbeiten zeigten unglaubliche Vielfalt. Für ihn war das Typedesign nie vordergründig kommerziell, er arbeitete stets kundenorientiert. Inzwischen vertreibt er und sein Partner den großteil seiner Fonts auch über www.a2-type.co.uk
Die Zwillinge Martin und Thomas Poschauko rundeten die Veranstaltung mit ihrem kreativen Input ab. Die anfänglichen Probleme mit der Technik meisterten sie hervorragend und sorgten für eine humorvolle Atmosphäre. Die inzwischen schon bekannten Brüder stellten auch hier Ihre Diplomarbeit »Nea Machina«, ihre Herangehensweise und die in 2,5 Jahren entstandene Vielfalt vor. Ihre Intension für die Diplomarbeit war, ihre Profs zu schocken und zu zeigen was in ihnen steckt. Dabei entstanden schnell auch mal Photoshop-Dateien, die mit 300 Ebenen ein Eigenleben entwickelten.
Sie versuchen in Ihren Experimenten immer reale Bezüge zu schaffen. So wird aus einem Foto von Dachziegeln ein Weinberg mit verändertem Himmel. Sie stoßen auf einen Fund, haben ein Assoziation und transformieren ihn. Sie gehen nicht dran vorbei, sondern handeln. »Ich wollt irgendwas daraus machen« so Martin Poschauko. Inspiriert von der Aussage Otl Aichers »Das Machen ist die Voraussetzung fürs Denken« wechseln Sie in Ihrer Arbeitsweise zwischen Kopf und Bauch, Computer und Hand.
Oftmals entsteht erst einen Arbeit analog mit der Hand, um weiter daran zu arbeiten, wird sie dann am Computer verändert. Im Gegenzug dessen enstehen auch Arbeiten zunächst relativ simple am Computer. Die Anmutung mit den Fäden zum Beispiel entstand zufällig durch den Austausch von Symbolen in Illustrator, dann folgte der Nachbau mit Fäden. Lang stand das »Werk« im Atelier der Beiden rum. Doch die Animation des Objektes machte es erst interessant.
Typedesign können Sie auch. »Weiß garnicht wieso Typedesigner so lange brauchen« war die schmunzelde Aussage, denn der Schattenwurf von Papier war schnell erzeugt.
Ich selbst bin begeistern von Ihrem Buch und den unendlichen Möglichkeiten, die von einem Portrait und einem Satz ausgehend entstehen können. Es war ein gelungener Abschluss der Veranstaltung, die in einem angenehmen kleinen Rahmen stattfand. Mit einem Kribbeln im Finger und voller Eindrücke ging es zurück nach Zürich.