01.png

Eine scharfe Type. Über das Eszett.

Author:

Ein Buch über das »ß«! »Eine scharfe Type« heißt die Diplomarbeit von Nadine Roßa, die an der HTW Berlin im Studiengang Kommunikationsdesign entstanden ist. Betreut wurde die Arbeit von Franz Zauleck und Jürgen Huber. Gestern ging die Diplom-Webseite scharfe-type.de online, wo es auch ß-Ohrringe zu gewinnen gibt.

Interview mit Nadine Roßa über Ihre Diplomarbeit:

Gib uns bitte ein paar Informationen über Dich.
Ich heiße Nadine Roßa und lebe und arbeite als freiberufliche Illustratorin und Designerin in Berlin.

Du trägst das ß im Namen. Wie lange beschäftigst Du dich schon mit dem Thema und wie ist die Idee für das Buch entstanden?
In der Tat war das der ausschlaggebende Grund für meine Diplomarbeit. Insofern beschäftige ich mich eigentlich schon ein Leben lang damit. In den Vorbereitungsseminaren fürs Diplom haben unsere Betreuer uns nahegelegt, ein Thema zu suchen, das uns irgendwie auch persönlich betrifft. Und ich liebe Typografie und habe einen seltenen Buchstaben im Namen – perfekt. Mein Typoprofessor war direkt begeistert von dem Thema und so konnte ich mich ans Werk machen.

Erzähl ein bisschen aus dem Arbeitsprozess während des Diploms. Auf welche Schwierigkeiten bist Du gestoßen?
An unserer FH ist (oder besser war) die Diplomarbeit zweigeteilt, wir müssen zunächst eine theoretisch wissentschaftliche Arbeit schreiben und danach den praktischen Teil bearbeiten. Den ersten Teil konnte ich somit nutzen, um mich in das Thema einzuarbeiten und wie sich schnell zeigte, würde das realtiv komplex werden. Ich musste sehr tief in die Sprachwissenschaft, Germanistik und Schriftgeschichte eintauchen.

Es gibt viel Material darüber, was gesichtet und ausgewertet werden musste, denn neu erfunden habe ich das Rad natürlich nicht. Bereits damals fiel mir auf, dass es wenig Material gab, dass auch für Nicht-Typografen und Designer geschrieben war, dabei war das Interesse daran sehr groß! Wann immer ich Leuten vom Thema meiner Diplomarbeit erzählt habe, wurden sie sofort hellhörig, bezweifelten aber auch, dass man damit ein Buch füllen könnte. (Wie sich gezeigt hat: man kann)

Die Inhalte aus der theoretischen Arbeit wollte ich also komplett neu aufbereiten und zwar so, dass jeder es verstehen konnte.
Ein kleiner Wehrmutstropfen war ein zeitgleich im Eichborn-Verlag erschienenes Buch über das ß, das genau dasselbe versprach. Zum Glück für mich wurde das aber vor Erscheinen zurück gezogen :-)

Was möchtest Du mit der Arbeit erreichen?
Auf der einen Seite möchte ich aufklären, denn das Interesse am ß ist sowohl positiv als auch negativ durchaus groß. Daran haben weder Rechtschreibreformen noch Versaleszett Diskussionen etwas geändert.
Mir ist aufgefallen, dass viele Leute nur aus Bequemheit auf das ß verzichten, weil ihnen die neue Regelung nicht richtig bekannt ist oder sie international Probleme damit haben. Aber für mich ist das ß ein Stück deutsches Kulturgut, deswegen möchte ich das Image meines Lieblingsbuchstabens etwas polieren, denn er musste wahrlich einiges aushalten im Laufe der Geschichte. So gibt es z.B. im Buchschuber auch ein Aufkleberset, dass ß-Liebhaber dazu anhalten soll, typische ß-Fehler zu korrigeren.
Die Zielgruppe sind also weniger reines Fachpublikum aus den Reihen der Typografen (sicher aber auch), als vielmehr Sprachliebhaber und alle, denen der Buchstaben wie mir am Herzen liegt.

Wie ist deine Meinung zum Versaleszett?
Ganz klar: dafür! Schaut euch meinen Personalausweis an und ihr werdet mich verstehen. Ich habe die Diskussion dazu natürlich verfolgt und wie das mit neuen Sachen immer so ist, ist man zunächst skeptisch. Aber im Rahmen meiner Recherche (siehe mein Flickr-Account zum Thema) zusammen mit persönlichen Erfahrungen zeigen deutlich, wie notwendig es ist. Die Leute schätzen seine Kennzeichnungsfunktion kurzer und langer Vokale, sonst gäbe es nicht so viele Versal gesetzte Wörter mit einem eingeklemmten Minuskel-ß.

Welche Pläne hast du noch mit »Eine scharfe Type«?
Ich bin schon mal recht froh, dass ich es endlich geschafft habe, meine Website dazu fertig zu bekommen und mal ein bisschen Feedback einzusammeln. Ich wurde inzwischen auch mehrfach gefragt, ob man das Buch kaufen kann, das Interesse ist also da. Insofern wäre es vielleicht schön, wenn sich ein Verlag findet, der Interesse daran hat.
Aber wichtiger noch: mehr positive Aufmerksamkeit fürs Eszett :-)

Welche Schriften hast du eingesetzt und warum?
Die Satzschrift für mein Buch ist die wunderbare Graublau Sans von Georg Seifert, die ich sehr mag. Die Entscheidung dafür hat aber auch pragmatische Gründe, denn ich brauchte für das Buch eine Schrift, die sowohl ein langes s, als auch ein Versaleszett enthält plus ein z mit Unterschlinge. Und da ist die Auswahl schon nicht mehr so groß, insofern bin ich über die Graublau sehr glücklich.
Da ich mit dem ß verschiedener Schriften auf den Seiten spiele, gibt es aber auch eine Reihe anderer Schriften (ich gebe zu, nach subjektivem Geschmack ausgewählt), die zum Einsatz kommen. Auf jeder Seite ist ein anderes ß hervorgehoben und in der Fußzeile die entsprechende Schriftart benannt. All diese Eszetts sind auf einem beigelegten Poster abgebildet.

Hast du Tipps für Studenten, die kurz vor Ihrer Abschlussprüfung stehen?
Das ist schwierig, denn die Bacherlor-Studiengänge haben ja andere Voraussetzungen als wir Diplomer. Ich würde Studenten raten, sich im Studium ordentlich auszutoben und zu experimentieren. Das habe ich glaube ich zu wenig gemacht, weil ich vorher schon gearbeitet habe. Und dann halte ich es für immens wichtig, Praxiserfahrungen in irgend einer Weise schon während des Studiums zu sammeln, egal ob als Praktika, hier oder im Ausland, Werkstudent oder freie Jobs. Das erleichtert den Einstieg ins "richtige" Leben immens und hilft festzustellen was man wirklich machen will (und was nicht).

Und nutzt euren Studentenausweis nochmal ordentlich, um sämtliche Studentenrabatte abzugreifen. Das Leben danach wird teurer :-)

Autoreninformationen über das Buch:
Kann man über einen einzigen Buchstaben ein ganzes Buch machen?
Ja, man kann. Dafür bedarf es eines Themas, zu dem ein besonderer persönlicher Bezug besteht und für das man sich im Idealfall auch noch selbst interessiert. Und so habe ich mich für meine Diplomarbeit im Fach Kommunikationsdesign eines Themas angenommen, das mich schon mein Leben lang begleitet.
Ich trage einen seltenen Buchstaben im Nachnamen: Das ß. Und das macht Ärger. Denn obwohl ich diesen besonderen Buchstabe liebe und nicht müde werde ihn zu verwenden wann immer er berechtigt ist, geht das leider längst nicht allen so. Meine Aufgabenstellung war daher: Was kann man tun, um das zu ändern? Ganz einfach – man erklärt ihn, man untersucht ihn, man begründet ihn. Und man macht ihn sympathisch.
Das fängt beim Titel an. Welchen Namen bekommt das Kind, wo es doch schon so viele Namen hat? Eszett ist zwar sehr geläufig, ebenso oft wird er aber auch schlicht als „scharfes S“ bezeichnet. Ein scharfer Buchstabe also. Ein Sonderling. Eine komische Type. Ezsett – Eine scharfe Type!

01.png