Exploring Brazil´s visual culture
Andreas im Slanted Interview
Slanted: Gib uns bitte ein paar Informationen über Dich und/oder die Firma, für die Du arbeitest.
Andreas: Ich bin Andreas Conradi, habe in Krefeld und Düsseldorf Kommunikations-Design studiert und während meines Studiums Praktika in ganz verschiedenen Bereichen gemacht. Konzept-Design und Redaktion bei Interone in Köln, Art-Direktion bei AlmapBBDO in São Paulo, Grafik-Design/visuelle Identität in verschiedenen kleinen Büros und als Freelancer. Während dem Hauptstudium habe ich mit Andreas Uebele die Plakate für die Konferenz "22. Forum Typografie" gestaltet. Für den visuellen Auftritt der Konferenz sind wir mit dem "Typographic Excellence" Preis durch den Type Directors Club, New York ausgezeichnet worden. Das vergangene Jahr habe ich mit dem Schwerpunkt Identitätsentwicklung für Architektur bei dbox in Amsterdam gearbeitet. Ab März werde ich mich auf die Suche nach einer neuen Agentur machen.
Slanted: Was ist Deine Grafikdesign Richtung? Wie würdest Du Deinen Stil bezeichnen? Wo liegen Deine Stärken?
Andreas: Ich versuche Ästhetik jeweils aus dem Konzept heraus zu entwickeln. Stilistisch habe ich eine Vorliebe für moderne deutsch/schweizerische Typografie und dezente Raster. Ich fotografiere gerne und mag clevere Ideen, die einfach sind.
Slanted: Wo arbeitest Du am liebsten?
Andreas: Am liebsten arbeite ich mit Leuten, die aus einem gestalterisch-kommunikativen Bereich kommen und von der Relevanz guter Gestaltung überzeugt sind. Ich arbeite gern projekt-orientiert und intensiv. An den Wochenenden versuche ich viel Zeit mit Freunden in der Stadt oder am Meer zu verbringen – als Ausgleich, zur Inspiration und Entspannung. Amsterdam ist ein Ort an dem ich mich gerade sehr wohl fühle.
Slanted: Was inspiriert Dich?
Andreas: Menschen die an etwas glauben und die Verbindung zu ihrem inneren Kind nicht verloren haben, die wissen was ihnen Freude macht – im direkten und im weiteren Sinne und mit Beständigkeit danach streben. Ich mag es im Kontext anderer Kulturen zu stehen und damit meine Ideen von der Welt in Frage zu stellen. Das fördert ein neugieriges Hinterfragen und das inspiriert mich sehr.
Slanted: Welche Bedeutung hat für Dich Design?
Andreas: Als Designer suche ich nach guten Lösungen für die Probleme unserer Kunden. Design ist für mich ein visuelles Problemlösen – das Reduzieren von Komplexität um ein Thema verständlich und auf attraktive Art kommunizierbar zu machen.
Slanted: Kannst Du uns eine kleine Beschreibung Deiner Arbeit geben?
Andreas: In den vergangenen 2 Jahren habe ich 9 Monate als Designer und Redakteur in Brasilien gearbeitet. Die Auseinandersetzung mit der visuellen Kultur des Landes bildet den Ausgangspunkt einer intensiven und persönlichen Recherche vor Ort.
Während der Recherche konnte ich 38 spannende Interviews mit Designern und Künstlern führen, die ich zusammen mit 1400 Abbildungen in dem Buchprojekt "Exploring Brazil´s visual culture" zusammengefasst und gestaltet habe. Die Bereiche commercial, initiative, vernacular und urban reflektieren das breite Spektrum von Ausdruckswillen, die im kulturellen Schmelztiegel Brasilien eine beeindruckende Vitalität erzeugt.
Slanted: Warum hast Du diese Arbeit gemacht? Wie bist Du auf die Idee gekommen? Was steckt dahinter?
Andreas: Durch einen Kontakt von Prof. Wilfried Korfmacher hatte ich 2006 die Chance bei AlmapBBDO in São Paulo ein Praktikum/Art-Direktion zu machen. Ich habe bereits vor der Abreise begonnen, Portugiesisch zu lernen und mich dort schnell sehr wohl gefühlt. Unglaublich fasziniert war ich von dem Talent der Menschen, mit einfachen Ideen viel zu bewegen, der Herzlichkeit und der kulturellen Vielfalt. Ich sah die Möglichkeit, ein Buchprojekt daraus zu machen. Wichtig war es mir die Interaktion von Kultur und Gestaltung einzubeziehen. Bisher gibt es keine Publikationen zum Thema "Brasilien visuell" – das war ein zusätzlicher Anreiz.
Slanted: Was möchtest Du mit Deiner Arbeit erreichen/aussagen?
Andreas: Brasilien hat ein Image-Problem. Es wird fast ausschliesslich über Sex und Gewalt (City of God, Tropa de Elite etc.) berichtet wenn Brasilien im Fokus steht. Natürlich gibt es diese Probleme und es wichtig sie beim Namen zu nennen. Trotzdem gibt es in fast allen Bevölkerungsschichten einen unglaublichen Optimismus, einen starken Willen sich auszudrücken und das Leben zu geniessen. Das hat mich unglaublich fasziniert. Besonders für Nord-Europäer bildet Brasilien in vielen Aspekten eine Art Gegenpol, den ich sehr inspirierend finde. Ich zeige schöne und hässliche Seiten Brasiliens, ohne zu bewerten. Vor Ort habe ich Fragen zu Gestaltung und Kultur gestellt und mich von den Antworten überraschen lassen.
Slanted: Wie/Wo wäre die ideale Anwendungsweise?
Andreas: Das Buch ist ideal für alle Gestalter, die sich für die visuelle Kultur Brasiliens interessieren.
Leute die generell mehr über das Land und seine Denkweise erfahren möchten, werden sicherlich auch ihr Vergnügen daran haben. Nur verlegt müsste das Buch vorher noch werden.
Slanted: Arbeitest Du eher darauf los oder gibt es lange Konzeptionsphasen?
Andreas: Ich arbeite zunächst konzeptionell und mit einem guten Überblick mache ich mich an die Gestaltung. Im Fall des Brasilien Buches habe ich mich in der Recherche treiben und überraschen lassen und aus den gesammelten Ergebnissen – 40 Stunden Interviews und mehr als 10.000 Photos – das Konzept für das Buch entwickelt. In diesem Fall war das treiben lassen Konzept um offen für unerwartete Begegnungen zu sein. Ich denke das ist ein Luxus der besonders in Diplomprojekten genutzt werden sollte.
Slanted: Wie lange hast Du an Deinem Werk gearbeitet?
Andreas: Ich habe zunächst ein halbes Jahr in Brasilien recherchiert und die Interviews ins Englische übersetzt. Dann begann die Phase des eigentlichen Design Diploms. Ich habe zusammen mit meinen Professoren verschiedene Strukturen für die Gliederung der Publikation diskutiert und begonnen die verschiedenen Gestaltungs-Templates dafür zu entwickeln. Als diese zur Zufriedenheit aller gelöst waren, hatte ich noch rund 5 Wochen für die Gestaltung entlang der erarbeiteten Struktur und für die Produktion des 432 Seiten starken Buches.
Slanted: Wer hat Dich betreut und wie hast Du davon profitiert?
Andreas: Betreut hat mich zuallererst meine Freundin. Sie hat sich die Texte und Ideen immer wieder angehört und mit ihren Ideen bereichert. An der FH Düsseldorf haben mich Prof. Philipp Teufel, Prof. Victor Malsy und Mariko Takagi phantastisch unterstützt.
Es war das erste Mal dass ich ein derart grosses Projekt allein organisiert und gestaltet habe. Deshalb war ich für Hilfe bei der Strukturierung und Erarbeitung eines verbindenden visuellen Systems unglaublich dankbar. Sie haben mich mit geschickten Fragen immer wieder auf den richtigen Weg geschickt. Das Vertrauen in mich und mein Projekt hat mir extrem geholfen.
Slanted: Hast Du Deine Arbeit handgemacht (gedruckt, veredelt etc.)?
Andreas: Das Buch wurde im Digitaldruck auf Munken Polar gedruckt und später professionell gebunden. Für den Buchrücken wurde ein safran-gelber Stoff verwendet, der mit dem Buchtitel weiss bedruckt wurde. Die Buchcover wurden mit einem Griffschutz laminiert.
Slanted: Hast Du Vorbilder? Was interessiert Dich an dieser/n Person/en? Welche Arbeiten gefallen Dir?
Andreas: Stefan Sagmeister ist eine Referenz für mich weil er sehr erfrischend die Position des Gestalters reflektiert, Marcello Serpa mit seinem Team weil sie zeigen dass grosse Ideen ganz einfach sein können, Studio Dumbar wegen ihren phantastischen Amsterdam Sinfonetta Postern und der Idee der "free spirit" Projekte neben dem Tagesgeschäft, KesselsKramer weil sie uns das Motto "I AMsterdam" geschenkt haben, Pentagram und Thomas Manss & Company weil sie wunderschöne Typografie machen, Janet Froelich für die creativ direktion des NYT Magazins, Max Bill weil er die schönsten Uhren aller Zeit gestaltet hat...
Slanted: Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Andreas: Ich möchte meine Freundin heiraten. Ich möchte weiterhin viel reisen und einen Job machen der vielfältig und projektorientiert ist. Ab März werde ich mich auf die Suche nach einer neuen Agentur machen. Wenn Ihnen mein Projekt gefällt, würde ich mich über eine Mail sehr freuen (mail(at)andreasconradi.de), eine Auswahl meiner schönsten Projekte finden sie unter www.andreasconradi.de.
Slanted: Danke für das Interview und viel Glück für deinen Traumjob!
01_Cover "Exploring Brazil´s visual culture"
02_Interview Kiko Farkas
03_Portrait Kiko Farkas
04_Typografie, Font Brasileiro von Crystian Cruz
05_Werbeverbot in São Paulo – A cidade limpa
06_Interview Bruno 9li
07_São Paulo Zentrum
08_Interview Tony de Marco
09_Pichação, São Paulo
10_Illustration Daniel Bileu
11_Copacabana, Rio de Janeiro
12_Ipanema, Rio de Janeiro