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Förderpreis für designkritische Texte 2006

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Preisverleihung mit Buchpräsentation
Mittwoch, den 29.11.2006, 19:00 Uhr
UdK Berlin, Alte Bibliothek (Raum 101), Hardenbergstr. 33, 10623 Berlin

Preisträger: Florian A. Schmidt, «PARALLEL REALITÄTEN – Ein Einblick in Funktion, Design und Bedeutung computergenerierter Welten» (ausgewählt aus 28 eingereichten Arbeiten von 17 Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz)

2006 wird der Förderpreis zum dritten Mal verliehen. Auslober ist die Berliner Agentur bf-Design. Der Preis erinnert an den Pionier des Industriedesigns, den Entwerfer und Verfasser zahlreicher Bücher und Schriften zum Design, Prof. Dr. Wilhelm Braun-Feldweg (1908-1998). Mit ihm sollen Designstudierende und -absolventInnen gefördert werden, die mit aktuellen Fragestellungen zum Design einen kritischen Beitrag zum Designdiskurs leisten. Der Preis ist mit 3.000 Euro und der Publizierung des Gewinnertextes dotiert sowie der Möglichkeit, für ein Jahr wahlweise ein Abo eines Verkehrsverbundes oder einen MINI One zu nutzen.
Florian A. Schmidt untersucht in seiner Arbeit die Risiken und das Potential virtueller Rollenspiel -Welten, deren Nutzung sich inzwischen zu einem Massenphänomen entwickelt hat. Seine Arbeit bietet einen «spannenden Einblick in die sozioökonomischen Zusammenhänge computergenerierter Welten. Der scheinbar mühelos geschriebene Text räumt mit dem Trugschluss auf, dass die In-Game-Welten nur in den Vorstellungen der User existieren. Die parallelen Realitäten haben in der Tat längst unsere Welt erreicht.» (aus dem Urteil der Jury).

„PARALLEL REALITÄTEN“ erscheint – mit einer Einführung von François Burkhardt – als erster Band der neuen Reihe «Designkritische Texte» im Schweizer Niggli Verlag und wird im Rahmen der Preisverleihung vorgestellt.

Die Arbeit von Saira Hussain, HfG Offenbach, «Improvisation in der Gestaltung, dargestellt am Beispiel ‹Kleinstbauten›» erhielt eine Anerkennung.

Begrüßung: Prof. Burkhard Schmitz, Erster Vizepräsident der Universität der Künste BerlinAuslober: Benita Braun - Feldweg, bf - Design GbRLaudatio: Prof. François Burkhardt, Architektur - und Designkritiker.Vortrag «games and design»: Inga von Staden, Medienboard. Berlin-Brandenburg GmbH

Weitere Informationen:bf - Design GbR, Benita Braun - Feldweg, bf - safemail('design','bf-berlin.de'), tel / fax: 030-308 62 776
www.bf-preis.de

Mit freundlicher Unterstützung der BMW Group; Rat für Formgebung, Frankfurt a.M.; Bankhaus Julius Bär, Zürich; Bank Hugo Kahn, Zürich; Universität der Künste Berlin; Hotel Gates Berlin sowie dem Medienpartner «design report».

- Leseprobe -

Florian A. Schmidt
PARALLEL REALITÄTEN
Ein Einblick in Funktion, Design und Bedeutung computergenerierter Welten

/ / VOM WEB 2.0 ZUM WEB 3D
[...]
So überstrapaziert das Wort Revolution auch sein mag: In unserem Umgang mit den Medien findet gerade eine solche statt, eine vollständige Umwälzung der medialen Architektur. Diese Revolution wurde ausgelöst durch den Zugang einer breiten Öffentlichkeit (der Masse) zu medialen Produktionsmitteln Vertriebswegen. Die einzelnen Elemente die jetzt zusammenkommen, gibt es schon länger, aber wurden bis vor Kurzem nur von einer Minderheit genutzt. In den meisten Haushalten gibt es jedoch inzwischen schnelle Computer, Breitbandanschlüsse ins Internet und digitale Film -und Fotokameras. Hinzu kommt eine Fülle von leicht zu bedienender Kreativsoftware, die (zumindest bei Apple) schon Betriebssystem integriert ist. Durch die technischen Errungenschaften von Filesharing, Wikis, Blogs, Vlogs, und Podcasts entdecken nun breite Schichten der Bevölkerung ihr Sendungsbewusstsein schaffen so eine Gegenöffentlichkeit, an der die alten Massenmedien nicht mehr vorbei kommen.

Nach dem Platzen der Dot.com-Blase wollte lange Zeit niemand mehr was von Internetutopien wissen, doch seit Anfang des Jahres 2006 ist der revolutionäre Wandel in der Kommunikationsstruktur unter dem Schlagwort WEB 2.0 in aller Munde. Die Zahl der Blogs wächst exponentiell, weltweit gibt es inzwischen 200 Millionen, 350.000 davon allein in Deutschland. Ähnlich rapide steigt die Anzahl der Videos YouTube (Broadcast Yourself!), Google Video und atomFilms. Das kollektive Bildarchiv Flick macht neun Millionen frei verfügbaren Bildern der Stockfoto Industrie die Pfründe streitig.

Soziale Online-Netzwerke gewinnen enorm an Bedeutung, my-Space.com hat inzwischen 60 Millionen Nutzer und wurde kürzlich für 580 Millionen Dollar von Medienmogul Rupert Murdock aufgekauft. Eigentlich ein Schnäppchen – knapp 10 Dollar für alle Daten, Vorlieben und Interessen des jeweiligen Kunden. In Schweden, wo die Breitbandnetze ebenfalls sehr weit ausgebaut sind, ist Lunarstorm beliebteste Community-Plattform. 85 Prozent der Schweden zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren sind Mitglied. Insgesamt besuchen im Monat vier Millionen Nutzer die Seite, das ist fast die Hälfte aller Schweden. Die Lunastormer beantworten auch freimütig Konsumentenbefragungen im Teenyslang. bekommen Werbung zugeschickt und urteilen mit «that rocks» oder «that sucks». Auf ihren Community-Seiten präsentieren die meist Jugendlichen Nutzer sich selbst, ihre Hobbys und Interessen. Sie zeigen eigene Filme, machen eigene Musik. Alles mit dem Ziel, Gleichgesinnte zu finden und Freundschaften schließen. Die multimediale Nabelschau ist zum Volkssport geworden; Talk Shows und Reality TV waren nur eine kurze Übergangsphase, noch in der alten Struktur. Plötzlich gibt es ein Überangebot an neuen Sendern, während sich die alten irritiert nach ihren Empfängern umschauen. Entstanden ist wildwuchernder Mediendschungel nicht nur auf dem Unterhaltungssektor, immer mehr Menschen betätigen sich als Bürgerjournalisten bzw. grassroot journalists.

Der Berieselung von oben folgt jetzt ein Sprießen von unten, doch es ist schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Gerade im Bereich der Kriegsberichterstattung (zuletzt aus dem Libanon) wird deutlich, wie problematisch der Umgang mit den Blogs ist. Einerseits berichten gut informierte unembeded journalists von Ereignissen aus Krisengebieten, die sonst niemals ans Licht der Öffentlichkeit gedrungen wären. Sie bilden einen wichtigen Gegenpol zu den offiziellen Kanälen. Andererseits schreiben renommierte Zeitschriften ohne eigene Recherche Inhalte aus Blogs ab, und befördern damit unwillentlich oder fahrlässig Propaganda. Angesichts dieser völlig neuen Medienarchitektur liegt nun die große Herausforderung darin, verlässliche Filter und Bewertungssysteme für die, wie Pilze aus dem Boden sprießenden, Sender zu entwickeln, dem Empfänger eine bewusste Wahl hochwertiger Inhalte zu ermöglichen. Am besten haben sich dafür bisher User - Ratings und redaktionell betreute Portale bewährt, denn ohne die menschliche Komponente finden die Suchmaschinen immer nur die populärsten Seiten, den kleinsten gemeinsamen Nenner.

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