ISType Transmit
Vom 15. bis zum 18. Juni fand die zweite ISType in Istanbul unter dem Thema “Transmit” statt – eine junge und noch recht kleine Typografie-Konferenz, die von Seminaren begleitet wird. Initiiert wird sie von Onur Type Onur Yazıcıgil und Alessandro Segalini.
Lag der Fokus 2011 noch stärker auf Typoseminaren und Workshops, so bot das viertägige Programm in diesem Jahr viele hochkarätige Vorträge, etwa von Ellen Lupton, Gerard Unger, David Lemon, Typetogether, Fred Smeijers, Bruno Maag, aber auch von regionalen Designern wie zum Beispiel Esen Karol. Eine vollständige Liste aller Vorträge findet sich hier.
Doch auch 2012 kamen die Seminare und Workshops nicht zu kurz: Es gab Diskussionsrunden zu Typography education, Type History und Publication Design sowie Workshops zu griechischem Typedesign (geleitet von Gerry Leonidas) und digitalem Typedesign (geleitet von TypeTogether).
Los ging es am Freitagmorgen im Auditorium der SALT Galata. Nach kurzer Einführung durch die Kuratoren, eröffnete Ellen Lupton die Konferenz mit einer erfrischenden Keynote Präsentation über den Job des Designers und dessen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Die Autorin von “ Thinking with type” und “Graphic Design: The New Graphics” beschrieb Desktop Publishing als “the beginning of the end of graphic design”.
In einer Zeit, in der der Designer Autor, Gestalter und Verleger zugleich sei, leide die Qualität, so ihre These, die sie mit einigen Beispielen untermauerte. Nur in zwei Prozent seiner Zeit verwirkliche sich der Designer, die übrige Zeit verwende er damit, Kundenwünschen gerecht zu werden und Designs aufgrund der straffen Timings von anderen zu kopieren. Der Vortrag endete mit einem erheiternden Exkurs über das Stern-Werkzeug in Illustrator, welches vor allem in Mailing und Anzeigen eingesetzt wird.
Nach Einblicken in die experimentellen Projekten von Elif Ayiter, beschrieb Bratislav Pantelić in seinem Vortrag “Typeface as visual code (Typeface and Nationalism)”, wie sich ein Volk mit einem bestimmten kulturellen Hintergrund auch immer mit einem sehr bestimmten Schriftbild identifiziert und dieses als sein eigenes annimmt.
Technischer wurde es dann mit Voträgen von David Lemon, Jan Middendorps und Adam Twardoch. Lemon, der Leiter der Schriftentwicklung bei Adobe berichtete wachsenden Anforderungen an Schrift bedingt durch technische Weiterentwicklungen und erklärte, wie sein Team mit der Adobe Type Library diesen Veränderungen Rechnung trage. Jan Middendorp knüpfte an die Thematik der Veränderungen durch Technologien an und sprach über die digitale Umsetzung klassischer Printmedien. Viel zu viele Webseiten, so Midendorps, sähen immer noch aus wie ihre Printvorlagen und seien nicht für das web optimiert.
Webfonts beispielsweise ermöglichen es, den Text als Live Text auf den Webseiten zu erhalten und gleichzeitig eine Einheit mit dem vorhandenen Corporate Design zu erzielen. Wie Webfonts in den Quellcode der Seiten eingefügt werden und welche Möglichkeiten es für die Optimierung der Schriften im Web gibt, erklärte im Folgenden Adam Twardoch.
Das Design Kollektiv Fevkalade sprach über die Akzeptanz von Typografie und Design in Istanbul. Viele Istanbuler, so führten sie aus, seien in Bezug auf Typografie immer noch blind. Masseninkompatibles Design werde nur schwer angenommen. Fevkalade sieht es daher als eine ihrer größten Aufgaben, Kunden von typografischen Entscheidungen zu überzeugen und sie als Designer zu leiten.
Fred Smeijers gab Einblicke über 30 Jahre seiner Arbeit und erzählte die ein oder andere nette Anekdote. Angefangen hat bei ihm alles mit handschriftlichen Skizzen und manuellen Montagen seiner Entwürfe. Die Einführung des Kopierers beschrieb er als »Geschenk des Himmels«. Er blickte auf einige seiner Designs für Philips, für die er bspw. das Logo überarbeitete, die Entstehung seiner Schriftfamilie FF Quadraat von 1992 und sein Erscheinungsbild für Heijmans zurück.
Am Samstagmorgen war das Auditorium pünktlich um zehn Uhr gut gefüllt, als Gerard Unger mit seinem Vortrag began. Einer Einführung durch Tschicholds Manifeste und der Aussage, dass die Grotesk die einzige zu verwendende Schriftform sei, folgten Beispiele, die zwar die Eigenheiten einer Grotesk aufwiesen, jedoch individuellere Charakter hatten. So ziemlich jede Typefoundry, so seine Kritik, bringe eine neutrale und damit weitestgehend charakterlose Grotesk heraus. Dass er mehr Experimentierfreudigkeit vermisst, zeigt der Satz mit dem er seinen Vortrag schloss: “Do what you like but maybe you avoid the neutral sans serif.”
Ivo Grabowitsch als Marketing Director von Font Shop İnternational erläuterte in seinem Vortrag “Enriched Typography using Open Type features”, dass Open Type nicht nur logistische und preisliche Vorteile bietet. Open Type Features seien künftig auch für Webfonts nutzbar. Auf diese Wege werden dann beispielsweise auch Alternativzeichen im Web möglich, Ligaturen etc.. Außerdem stellte er die FF Chartwell vor, die an die Grenzen des Open Type Formats geht, und mit der es möglich ist, aus Mengen oder Prozentangaben, die aus reinem Text bestehen, grafische Diagramme zu generieren.
Laurie Curchman stellte ihr Buchprojekt “The Art of Boat Names: Inspiring Ideas for Names and Designs” vor. Dort setzt sie sich mit Bootnamen und deren Visualisierung auf den Booten auseinander. Jeder Bootsname erzähle seine eigene Geschichte und gebe mehr von dem İnhaber preis, als man erwarte, stellte Curchmann fest. Ein Bootsname sei fast immer etwas sehr persönliches und so werde viel Zeit und auch Geld in die Umsetzung inverstiert. Wurden historische Bootnamen von Schildermachern handgefertigt, so sei es heute durch neue Technologien möglich, nahezu jedes Design und jede mögliche Kombination aus Schrift, Grafik und Material zu erstellen.
Curchmann zeigte anhand von İnternetshops, bei denen man sich online seine Beschriftung für das Boot selber gestalten kann, dass es hierfür einen recht großen Markt gibt, mit dem sich gutes Geld verdienen lasse. Schließlich koste eine Beschriftung für eine große Jacht schnell gerne einmal so viel wie ein normales Boot.
Bruno Maag, der Gründer von Dalton Maag, gab in seinem Vortrag Einblicke in ein sehr umfassendes Projekt für die Entwicklung des Nokia Corporate Fonts. Nokia stellte hohe Ansprüche an seinen neuen Corporate Font namens Nokia Pure: Das Schriftdesign musste funktional sein, die pure ästhetik von Nokia widerspiegeln und sowohl im digitalen Anwendungsbereich als auch im Printbereich funktionieren. Eine weitere Herausforderung für Dalton Maag war es, die Schriftfamilie für möglichst viele Sprachen auszubauen oder beispielsweise für den arabischen Raum völlig neu zu entwickeln, immer aber mit Augenmerk darauf, die Formsprache der Schrift und die Eigenheiten beizubehalten. Eine langwieriger Prozesss, der sich für Unternehmen aber immer auszahle und sich auch in deren Bilanzen später mehr als bezahlt mache, sagte Maag.
Nach vielen weiteren interessanten Vorträgen, intensiven Diskussionen bei einem türkischen Kaffee und tollen Eindrücke einer fantastischen Stadt, ging die zweite ISType am Montag Abend zu Ende. Teşekkür ederim für die schöne Zeit und bis zum nächsten Mal. Wir werden euch über Neuigkeiten und Deadlines für die Regiestrierung der nächsten ISType auf dem Laufenden halten.