Shelley Gruendler: Pluralismus und Design: Ein Aufruf zum radikalen Wandel in der typografischen Lehre
Dr. Shelley Gruendler ist Typografin, Designerin und Dozentin aus Kanada. Sie lehrt und publiziert international.
Vor 5 Jahren gründete sie das Type-Camp aus einem großen inneren Bedürfnis heraus. Die Lehre an amerikanischen Unis läuft der Zeit hinterher, Shelley Gruendler hatte neue Ideen, durfte sie aber nicht umsetzen, alle waren genervt. Also startete sie etwas eigenes. Zuerst dachte sie daran, einfach eine Wohnung zu mieten und im Wohnzimmer Unterricht zu geben. Doch wurde daraus ein erster Wochenend-Workshop, "lass es uns einfach mal machen und schauen, was passiert". So ist ihr Ansatz, Learning by Making, Doing and Living.
Kreative Typografie ist nicht, den Trends zu folgen, sondern selbst Trends zu setzen. Nicht eine Slabserif zu verwenden, weil alle gerade eine Slabserif verwenden, etwas langweiligeres kann sie sich nicht vorstellen. Sondern eine neue Idee zu entwickeln, Innovation.
Dafür nannte sie 2 Beispiele, die Schrift "Restraint", die aus dem Scrabble-Prinzip heraus entstand, mit Verbindungen der einzelnen Elemente in alle Richtungen. Und die Schrift "Twin" von Letterror, eine Schrift, die mit dem Ort verbunden ist, sie ist veränderbar nach Temperatur und Windstärke. "Thinking about the type within the context".
Im Type Camp wird viel experimentiert. Wichtig ist, dass sich die Projekte immer etwas verändern, dass der Lehrer sich nicht wiederholt und vor allem, dass Projekte initiiert werden, bei denen das Ergebnis nicht vorhersagbar ist. Das erfordert viel Energie vom Lehrenden aber genau diese Energie entfacht in den Studenten das Feuer für Typografie.
Wichtig ist Interaktion, ein Entwurf von Person A wird weitergereicht an Person B, die wiederum daraus einen Entwurf entwickelt usw. Ein Projekt in diesem Stil heißt "Telephone Letters". Personen sprechen miteinander, dürfen sich aber nicht sehen. Einer wählt einen Buchstaben oder ein Zeichen aus und beschreibt der zweiten Person, wie sie diesen zu zeichnen hat. Diese Zeichnung wiederum ist die Grundlage für die nächste Beschreibung. So entsteht eine riesige Vielfalt an Zeichen, nichts sieht gleich aus, sehr verblüffend!
Eine weitere Punkt: Fehler zulassen, schauen was jeder einzelne aus einer Aufgabe macht. Sie hat ihre Studenten auf ein übergroßes Format den Buchstaben "g" zeichnen lassen. Viele wunderbare "g"s entstanden, aber ein "g" war völlig unproportional, die Studentin war ganz verzweifelt, es gelang ihr nicht anders. Aber dieses scheinbar fehlerhafte "g" ist das charmanteste der ganzen Reihe, man muss es einfach lieb gewinnen und einen Font daraus entwickeln.
Shelley Gruendler gab dann noch einen Einblick in das Type Camp Indien (der Teil des Vortrages, den normalerweise Rathna Ramanathan hält, diese konnte leider nicht anwesend sein), wie sie Land und Leute kennengelernt haben, die regionalen Besonderheiten, die Vielfalt der Sprachen (die auch Peter Bi´lak gestern schon erwähnte) und die Projekte.
Die Lehre kreativer Typografie basiert nach Shelley Gruendler also auf: Culture - Context - Community.