TYPO Berlin Tag 2: Jan Teunen, 11 Uhr
Hochgradig philosophisch fing unser Tag heute bei dem Vortrag von Jan Teunen an. Bewaffnet mit einem großen »T« und mit einer Tasche, aus der ein (Stoff-)Schwein herauslugte, beschriftet mit den Worten: “Fear is Energy”, betrat er die Bühne.
Es war keine leichte Kost. Er gab viele Beispiele aus der Kunst, Philosophie und Ethik um klarzustellen: Die Aufgabe des Gestalters ist es, nicht Dinge zu verunstalten, sondern zu bewahren und nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der anderen durch gute Gestaltung zu bereichern.
Geist, Seele und Bewusstsein – diese Dinge unterscheiden uns von einem Schwein. Er schreckte nicht davor zurück, uns mit schwierigen Themen wie Hunger und Armut zu konfrontieren und lässt uns fragen ob wir Teil des Problems sind oder Teil der Lösung.
Wir begegnen im Alltag sehr vielen Schweinen. Schweine sind ein ausgeplünderter Rohstoff für Computer, Schuhe, Pinsel, Farben, Medikamente, fettfreie Butter. Doch die Schweine haben sich verändert. Sie haben keinen Ringelschwanz mehr! In Deutschland und vielen anderen Ländern ist es nicht ungesetzlich, dass Schweinen der Ringelschwanz abgeschnitten wird. In Holland, dem Heimatland von Jan Teunen, gibt es mehr Schweine als Menschen! Überall ist Schwein drin – in Lollipops, Zigaretten, Kuchen. In der Schweiz und in Skandinavien wird das ganze Schwein verwertet – vom kleinen Hufnagel bis hin zum Ringelschwanz – nachhaltiger als hierzulande.
Warum behandeln wir unsere Schweine so? Warum tun wir das?
Die Schweine würden sich sonst gegenseitig den Schwanz abbeissen und die Wunde würde eitern. Das will keiner aufs Brot geschmiert bekommen.
Warum machen die Schweine das?
Sie haben Langeweile, sind frustriert, mangelnde Abwechslung, fühlen sich Unwohl in ihrer schlecht gestalteten Umgebung. Sie sind gestresst – bei Menschen trocknet in diesem Fall die rechte Gehirnhälfte aus.
Das Büro ist die Terrorzelle der Gegenwart. Schon der Künstler Joseph Beuys sagte, dass die Menschen noch nie so degeneriert gelebt haben wie heute. Durch guten Geschmack lässt man sich weniger täuschen. Es mangelt leider oft am Bewusstsein für gute Gestaltung.
Er appelliert an die Gestalter: Es ist unsere Aufgabe, Verantwortung zu tragen und gesellschaftsorientiert und nachhaltig zu arbeiten. Unsere Dopaminachse fängt an zu sprudeln wenn die Qualität unserer Umgebung wächst. Die Folge daraus ist, dass die Motivation steigt.
Den Begriff »Nachhaltigkeit« hat er treffend erklärt: Nur so viele Bäume fällen wie nachwachsen.
Als Ursache zeigt nennt er drei Figuren, die er uns anhand eines Fotos mit drei Totenköpfen erklärt:
1) Der Philosoph: Er fragt nach dem Warum? 2) Der Mönch: Er hat keinen Job, sondern eine Mission. Er will Bedeutung kreieren. 3) Der Schauspieler: Er träumt von einer schönen Rolle auf einer schönen Bühne. Aber dies nützt ihm nichts, weil er die Bühne nicht kennt. Wer den Bauplan nicht kennt, kann nur verunstalten.
Das Gehirn ist seit seinem ersten Stadium daran gewöhnt dass es erstens mit etwas verbunden ist, dass größer ist als man selbst und zweitens, dass es wachsen will Richtung Freiheit. Die größte Qualität eines Produkts ist es, wenn es dem Konsumenten mehr Freiheit schenken kann.
Wir müssen also Umdenken von der unmotivierenden Methode des Abschneidens hin zum Enrichment: also der kulturellen Aufladung eines Ortes. Seien es Schulen, Büros, Altenheime – die Ästhetik des Ortes beeinflusst uns mehr als manch einer annimmt, wenn er lieber an der Gestaltung spart.
Jan Teunens Schlussapell lautete, dass die Angst der Schweine uns Gestalter dazu inspirieren und motivieren soll die Natur zu bewahren.
Sein Vortrag wurde begleitet mit sehr ästhetischen Schwarz-/Weiß Fotografien von Stefan Blume.