Typo London – Tag Eins
Gestern startete die TYPO London. Tiziana Artemisio und Christiana Teufel sind für Slanted vor Ort und berichten, was sie dort zu sehen und hören bekommen:
Pünktlich um 14:00 Uhr eröffnete Erik Spiekermann die Konferenz, die zum ersten Mal in London, in der Logan Hall, stattfand. Das Thema der 3-tägigen Konferenz, Places, bot schon am ersten Tag abwechslungsreiche Vorträge. Es war von der 3D Brille bis hin zum Gesangs-Auftritt durchgehend spannend, lehrreich und sehr sympathisch gestaltet.
Den Anfang machte Dale Herigstad zum Thema gestische Navigation für Bildschirme und optischer Distanz sowie die Auflösung vom Bildschirm in einen dreidimensionalen Raum, was bestimmt die Vorstellungskraft einiger zweidimensional-denkenden Gestaltern im Zuschauerraum überforderte. Geholfen haben da leider auch die 3D-Brillen nicht wirklich.
Weiter ging es mit Nat Hunter, welche überwiegend über ihre Arbeit bei Airside und das Interface Design für Virgin Atlantic sprach. Zudem präsentierte sie einige unterhaltsame sowie clevere Informationsfilme die in den vergangenen 12 Monaten bei Airside entstanden sind.
Im letzen Beitrag vor der Kaffepause wurde zum ersten mal ein Fokus auf die Typographie gelegt. Kutlu Çanlıoğlu, Creative Director von BBC, referierte zusammen mit Schriftgestalter Titus Nehmet über das Redesign der BBC News Webseite. Dafür analysierten sie die bisherige Nachrichtenstruktur in Hinblick auf Aggressivität bzw. Harmlosigkeit der News und deren Anordnung im Layout. Aus ihrer Recherche ergibt sich ein sehr interessanter Blick auf die Gewohnheiten der Kulturen. Aggressive, gewalttätige Themen wurden mit roter Farbe hinterlegt und harmlosere Nachrichten wie Sport und Unterhaltung in blau. Die grösste Herausforderung bestand darin eine Webest zu gestalten, die für 27 unterschiedliche Sprachen, 9 Scripts und 2 Leserichtungen funktioniert und dabei dem Anspruch auf gute Typographische Gestaltung gerecht wird. Titus übernahm dabei die Rolle des Schriftgestalters der Arabischen Schriften. Aus seiner Schrift “Nassim”, die er Schon vor 5 Jahren entwarf, wurden drei unterschiedliche arabische Schriften gestaltet, die an ihre jeweiligen Regionen angepasst wurden. Besonders erfreulich war Kutlu Çanlıoğlu Aussage “The aera of expected bad Typography on the web has come to an end”.
Nach diesem sehr komplexen, aber auch unglaublich interessanten Vortrag kam die Kaffepause sehr gelegen. Kurz danach kündigte Erik Spiekermann die Gruppe der “Bald-Designers” für das Abendprogramm an und machte damit eine Referenz zum spärlichen Haupthaar der drei folgenden Rednern. Laut Spiekermann dürfen nur Designer mit Glatze ernst genommen werden. Dass auch bei ihm das Haupthaar eher dünn gesät ist, ist selbstredend.
Der erste der drei kahlen Gestalter des Abends war Jonathan Ellery. Er stellte gleich am Anfang seiner Rede klar, dass er lieber über “the outside things” reden möchte, als über das Studio. Er entschied sich dazu, den Vortrag ganz seiner Tätigkeit als Künstler zu widmen, anstatt auf die kommerzielleren, grafischen Arbeiten einzugehen. Der Künstler Jonathan Ellery sucht immer nach einer Geschichte in seinen Arbeiten. Die meisten Arbeiten die er vorstellte, wie z.B. 136 Points of Reference, 87 Ellery und Human Condition sind Sammlungen. So kam es auch schon zu Ausstellungen von Ellery, bei denen kein einziges Ausstellungsstück von ihm war. Die eigentliche Kunst liege jedoch dabei “to decide what is placed next to each other”. Es gehe vorwiegend darum Verknüpfungen zu finden und mit der Abfolge der einzelnen Ausstellungsstücke etwas zu erzählen. Die Geschichte könne für jeden unterschiedlich sein, aber wichtig sei es ihm, dass es in seinem Kopf einen Sinn ergäbe. Erfrischend war die Mischung von intellektuellen wie auch sehr persönlichen Themen, kombiniert mit seiner “Rock n' Roll Attitude”. Gegen Ende des Vortrages kam er auch noch auf den Konflikt zwischen der Kunst und kommerziellen Projekten zu sprechen. Im Auftrag von Wallpaper Magazin entwarf er eine Uhr, die keine Zeit anzeigt und somit ihrem ursprüngliche Zweck entfremdet ist. Die Uhr trägt das Urknall Motiv aus seiner künstlerischen Arbeit Neo Conservative Creationism. Dass sich hier die kommerzielle Welt bei der Kunst bedient findet er jedoch in diesem Einzelfall nicht weiter schlimm. Nach einer guten Stunde beendete er den Vortrag kurz und knapp mit: “That is me done”.
Auf Jonathan Ellery folgte Tony Brook, welcher eine sehr persönliche und sympathische Rede hielt. Neben seinen Arbeiten für die Withechapel Gallery und das Design Museum in London, sprach er vor allem über seine Obsession für Wim Crouwel und über seine Heimat im Hohen Norden von England. Er scherzte über die Eigenheiten der nordischen Sprache und die seiner Landsleute, verlas ein etwas gehässiges Gedicht über Eltern, und sang zum Schluss auch noch einen original yorkshirischen Fan-Gesang. Die Kernaussage seines Vortrags kann man mit "where we come from will form what we do" sehr gut auf den Punkt bringen.
Zu guter Letzt betrat das dritte Mitglied des “Bald-Designers-Club” die Bühne. Michael Bierut nahm sich im Gegensatz zu einigen der anderen Rednern das Thema "Places" sehr zu Herzen. Er sprach über viele Projekte die er im öffentlichen Raum, zerstreut über ganz Amerika, realisierte. Er zeigte beeindruckende Projekte für Kunden wie Harley-Davidson, the Brooklyn Academy of Music, the New York Times und den New York Jets.
Wer auch gerne dabei gewesen wäre kann sich einige der kommenden Vorträge per Live-Stream online anschauen.