Typotage Leipzig 2015
Unter dem Thema »Schrift und öffentlicher Raum« waren im Rahmen der 21. Leipziger Typotage wundervolle Vorträge geboten. Den Auftakt machte ein Mann mit dem schönen Namen Pierre Pané-Farré in Vertretung seines Professors Fred Smeijers. Freitag Abend führte uns der Meisterschüler in die wohl ursprünglichste Form von Schrift im Raum ein — Plakate. Er zeigte interessante Bildverweise, wie beispielsweise solche aus Frankreich von den ersten papierlosen Werbeplakaten, die direkt und auch gerne mal in runder Form dauerhaft an die Wand gebracht wurden. Das Museum für Buchkunst bot nicht nur die passende Atmosphäre sondern auch einen wundervollen Innenhof, der zum gemeinsamen Grillen einlud.
Weiter ging es dann am nächsten Morgen mit Kaffee und dem Herrn Prof. Spurk, der das Thema aus soziologischer Sicht erläuterte: »Schrift im öffentlichen Raum ist Demokratie«. Eine ähnliche Antwort darauf fand der nächste Sprecher, der sich hinter dem Pseudonym »Keinem« verbirgt. Nicolas Ganz präsentierte uns die Welt der illegalen Texte im Raum – Graffiti oder »die Antikapitalistische Bewegung gegen Werbung« oder – neues Lieblingswort – den Aufstand gegen die »Saubernazis«.
Nach einer kurzen Verschnaufpause entführte uns die Type Designerin der »FF Karbid« nach Algerien über Katowice bis nach Bangalore. Mit »zu wenig Zeit für zu viel Inhalt« gab uns Verena Gerlach zahlreiche Impressionen über eine Welt in der das Motto »More is More« regiert: Mehr Schatten, mehr Farben, mehr Deco.
Dann mein persönliches Highlight: Ralf Herrmann kam auf die Bühne und beeindruckte durch seine intensive Analyse von Straßenschildern in verschiedenen Ländern, die als Recherche für seine Schrift »Wayfinding Sans Pro« dienten.
In der Mittagspause gab es ein liebevolles Buffet und die Zeit, sich mit Sprechern und Besuchern auszutauschen oder auch ein Foto zu schießen von Ralf Herrmann und Georg Seifert (Designer der Graublau Pro und Entwickler des Schriftgestaltungsprogramms Glyphs App).
Der frisch gebackene Hochschulabsolvent Angelo Sitz überraschte nach der Pause mit seinem Vortrag »Response Type«. Er zeigte uns die Experimente und Ergebnisse seiner Abschlussarbeit: Wie kann sich Schrift an verschiedene Formaten anpassen? Wie sieht es aus, wenn man Parameter wie Lautstärke, Stimmhöhe oder etwa Sprechgeschwindigkeit in das Wortbild einfließen lässt? Um das alles und noch mehr (!) darzustellen, lernte er sogar programmieren. Und das soll nur der Anfang seiner Arbeit sein…
Mit seinem Vortrag »Urban Literacy« warf Klaus Birk die Frage auf, wie sich die digitale Entwicklung auf unsere physische Erscheinung der Stadt auswirkt. Es geht anscheinend schon soweit, dass man neben einem Fahrradweg und einen Fußgängerweg auch einen Weg braucht, der für die unaufmerksamen und auch etwas langsameren Fußgänger mit Handy in der Hand vorgesehen ist.
Beispiele aus Schrift im digitalem oder urbanem Raum zeigte uns auch Anja Stöffler, diesmal aber immer in Bewegung. Darunter war auch ein Teil der beeindruckenden Ergebnisse ihres Archivs »Moving Types« mit animierter Schrift in Film, Web und im Raum, welches in Form einer Wanderausstellung zu sehen war.
Die letzte Sprecherin namens Bärbel Bold erzählte uns über Projekte, die sie mit ihren Freunden Ingo Italic, Uwe Underline oder auch Dieter Durchschuss verwirklicht hat. Die Freunde von Buchstaben sehen sich weniger als Typografen, sondern viel mehr als »experimentelle Typeforscher« und kommen mit Generativen Design, Motion Design und Programmierung auf sehr interessante Ergebnisse.
So interessant, dass alle genügend »Sitzfleisch« mitbrachten, um weitere 20 min zu überziehen;)
Wer dann noch nicht genug hatte, konnte am Sonntag mit Anmeldung am Typografischen Stadtrundgang teilnehmen. Der perfekte Ausklang für ein herrliches Wochenende.