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ZEIT—VISUELLE UNTERSUCHUNGEN

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Derzeit hat Zeit ihre große Zeit. Unsere Gesellschaft hat sich durch mediale, soziale und nicht zuletzt wirtschaftliche Faktoren in eine beschleunigte Gesellschaft verwandelt. Zeit ist scheinbar das höchste Gut, obwohl es sich hierbei um einen ungegenständlichen, abstrakten Begriff handelt.

Zeit ist unsichtbar. Keines der menschlichen Sinnesorgane vermag es, sie direkt wahrzunehmen. Menschen können Zeit weder sehen, fühlen, hören, schmecken noch riechen, und dass obwohl Zeit allgegenwärtig ist. (Auszug aus der theoretischen Arbeit)

Die Diplomarbeit von Stefan Kaetz wagt das Sichtbarmachen des Phänomens Zeit in eine grafisch erfassbare Form. Zeit—Visuelle Untersuchungen ist in drei Kapitel gegliedert. Zunächst ist Zeit der Ursprung natürlicher Veränderungen. Reduzierte Fotografien einer Pflanze (Amaryllis) visualisieren dies auf zerbrechliche Weise. Im zweiten Kapitel wird das Rauschen der Zeit zwischen Kontinuität, Bewegung und Unendlichkeit in Form grafischer Muster dargestellt. Infografiken zeigen im dritten Kapitel die Abhängigkeit der Zeit von der subjetiven Wahrnehmung des Einzelnen auf. Alle Kapitel werden mit eigenen Gedanken zur Zeit typografisch inszeniert und eingeleitet.

ZEIT—VISUELLE UNTERSUCHUNGEN

Autor/Gestaltung: Stefan Kaetz, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg,
Hochschule: Department Design, Studiengang: Kommunikationsdesign
Betreuung: Prof. Heike Grebin / Prof. Dr. Michaela Diener
Zeitraum: Wintersemester 2009/2010
Kontakt: [email protected] / www.neuwerken.com
Umfang: 44 Seiten
Format: 265mm x 375mm
Papier: Munken Print White 1,5 / 100g/m2
Farbe: 1/1 (schwarz)
Auflage: 250 Stück
Druck: Offset

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Stefan Kaetz im Interview mit Slanted:

Du hast dich mit dem großen Thema »Zeit« beschäftigt. Warum? Was genau hat dich daran interessiert?

»Zeit« ist tatsächlich ein großes Thema, welches sich darüber hinaus schwer (be-)greifen lässt und rückblickend sowohl theoretisch, als auch gestalterische eine Herausforderung darstellte. Von Anfang an stand für mich der Entschluss fest ein möglichst freies Diplomthema zu wählen. In das Thema »Zeit« bin ich letztendlich irgendwie reingerutscht. Ich war fasziniert davon, dass sich scheinbar alles auf der Welt permanent verändert.

Jeder Moment ist im nächsten Augenblick vorbei. Ich erforschte zunächst die Begriffe »Veränderung« und »Vergänglichkeit« ohne ein konkretes Ziel vor Augen zu haben. Ich fotografierte täglich Bäume und Pflanzen, die sich, insbesondere im Herbst, ständig veränderten. Irgendwann fiel im Gespräch mit meiner Professorin Heike Grebin der Begriff »Zeit«. Fortan setzte ich mich unter dem Arbeitstitel »Zeit—Visuelle Untersuchungen« theoretisch und visuell intensiv mit dem Thema auseinander. Nach wie vor hatte ich keine
konkrete Vorstellung was dabei heraus kommen sollte und die Zeit hatte bereits begonnen mächtig Druck auf mich auszuüben.

Ich versuchte zunächst meine Vorstellungen von Zeit grafisch festzuhalten, begann über die eigene Zeit Buch zu führen und konkretisierte meine Naturbeobachtungen. Außerdem formulierte ich eigene Gedanken zur Zeit, die später die einzelnen Kapitel einleiten sollten. »Zeit—Visuelle Untersuchungen« wurde dann schlussendlich auch der finale Titel der Diplomarbeit.

Deine Diplomarbeit ist in 3 Kapitel untergliedert: Fotografien als Zeichen der Vergänglichkeit, Bewegung und Unendlichkeit als Visualisierungen in grafischen Mustern und Visualisierungen persönlicher Zeitdaten. Warum hast du diese Dreiteilung vorgenommen und wie begründet sich der jeweilige Einsatz eines bestimmten Gestaltungsmittels?

In der umfangreichen theoretischen Auseinandesetzung mit dem Thema Zeit kristallisierten sich drei immer wiederkehrende zentrale Positionen heraus:

1) Zeit bedingt natürliche Veränderungen.
2 ) Zeit ist objektiv gegeben.
3 ) Zeit wird subjektiv empfunden.

Die inhaltliche Dreiteilung ist demnach die Konsequenz dieser genannten Positionen.

Im ersten Kapitel habe ich die Momentaufnahme der Fotografie genutzt, um die an die Zeit gebundene Veränderung einer Pflanze zu visualisieren. Das zweite Kapitel visualisiert das objektive und konstante Vorhandensein der Zeit. Die technische und kraftvolle Anmutung der grafischen Muster, die sich letztendlich von meinen analogen Experimenten abgeleitet hatten, waren für mich das perfekte Gestaltungsmittel. Die gleichförmige Konstruktion der Muster lässt zudem ein gewisses »Rauschen« entstehen. Das »Rauschen der Zeit«.

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem subjektiven Erleben von Zeit. Die während der Analyse der »Eigenzeit« erfassten Daten, u.a. die Arbeitsstunden an der Diplomarbeit, der eigene Tag-Nacht-Rhythmus oder auch Erinnerungen an Vergangenes, habe ich in Form von Infografiken realisiert. Dieses Stilmittel erschien mir hier am Naheliegendsten.

Hat sich dein eigenes Zeitverständis durch deine Arbeit geändert? Und hast du etwas besonderes über/zu Zeit gelernt?

Ich würde nicht sagen, dass ich etwas Besonderes über Zeit an sich gelernt habe. Mir ist einfach klar geworden, dass das Thema Zeit so unendlich ist wie die Zeit selbst. Die Antwort auf die Frage »Was ist Zeit« hat nahezu alle bedeutenden Denker der letzten Jahrhunderte beschäftigt und eine allgemein gültige Antwort existiert nach wie vor nicht.

Mein Zeitverständnis dagegen hat sich durch meine Diplomarbeit definitiv positiv verändert. Mir wurde bewusst, dass das rasante Tempo der heutigen Gesellschaft zum Teil bedenkliche Züge angenommen hat. Die Zeit rast an uns vorbei und alles scheint immer noch »schneller« werden zu müssen. Das wirkt sich in vielen Fällen negativ auf das menschliche Befinden aus. Ich persönlich versuche seither mit meiner Zeit bewusster umzugehen.

Abschließen möchte in an dieser Stelle mit einem Zitat von Norbert Elias: »Wenn man Probleme der Zeit untersucht, kann man mancherlei über Menschen und so auch über sich selbst lernen, das zuvor nicht recht faßbar war.«

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